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Was kostet die Energiewende? Eine Bierdeckelrechnung

Dirk Löhr

Deutschland möchte bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, sich also dekarbonisieren. Aber was kostet die Energiewende? Genau weiß das keiner. Zwar gibt es Schätzungen und Hochrechnungen. Diese sind aber mit hohen Unsicherheiten behaftet, wenngleich sie teilweise sehr ins Detail gehen und damit eine Genauigkeit vortäuschen, die sie eben nicht haben. Angenehm ist mir daher eine “Bierdeckelrechnung” von André D. Thess von der Universität Stuttgart (Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung) aufgefallen, die ich nachfolgend einmal vorstellen und dabei auch ein wenig modifizieren möchte. Dabei geht es nur um Größenordnungen, nicht mehr. Ein Anspruch auf Exaktheit wird ausdrücklich nicht erhoben. Thess unterscheidet zwischen dem Wärmesektor, dem Stromsektor und der Mobilität, ich nehme noch den Gebäudesektor hinzu.

a) Wärmeesektor
Thess orientiert sich hier an den Kosten, die vor zehn Jahren bei der Stanford University anfielen, nämlich ca. 15.000 €/Kopf. Allerdings hatte die Stanford University ganz andere Bedingungen als die öffentliche Hand hierzulande. Dies betrifft nicht nur Sonne und Klima, sondern z.B. auch Ausschreibungen und andere Regeln. Dies führt dazu, dass die öffentliche Hand bei Bauvorhaben die veranschlagten Kosten regelmäßig deutlich überschreitet. Stuttgart 21 kostet beispielsweise nicht wie ursprünglich geplant 2,5 Mrd. €, sondern 11,5 Mrd. €. Dieses Beispiel ist sicherlich eher extrem; aus anderen Projekten leitet Thess jedoch einen Sicherheitsfaktor von drei ab. Bei der Stanford-Universität ist dieser hingegen nicht zu berücksichtigen; als private Institution kann sie relativ frei und wirtschaftlich agieren. Der Faktor drei ist somit auf die 15.000 €/Kopf anzulegen. Übertragen auf Deutschland ergibt sich damit:

15.000 €/P. x 3 (Sicherheitsfaktor) x 84 Mio. Menschen = 3,8 Bill. €

b) Gebäudesektor
Anders als in der Stanford University gibt es in der EU und in Deutschland aber auch Bestrebungen, mindestens die Gebäude aus den schlechtesten Energieeffizienzklassen zu sanieren. Diese Kosten sind in der “Wärmerechnung” von Thess nur teilweise enthalten. Gehen wir davon aus, dass sich 15 Prozent der 42 Mio. Wohnungen (pro Wohnung 90 qm Fläche) als sanierungsbedürftig angesehen werden, und setzen wir 750 €/qm als Sanierungskosten an (jeder Bausachverständige wird sagen, dass das nicht ausreicht). Hinzu kommen auch noch die öffentlichen und privaten Nichtwohn-Gebäude, die wir aus der Steuerstatistik mit grob 4,5 Mio. wirtschaftlichen Einheiten à 1.000 qm Nutzfläche beziffern. Wir machen keinen Unterschied zwischen Nutz- und Wohnfläche und es werden dieselben Sanierungsquoten und -kosten wie bei Wohngebäuden unterstellt. Für gut die Hälfte der Nichtwohn-Gebäude (öffentlicher Anteil) wird noch ein Sicherheitsfaktor von 3 angelegt.

Damit ergibt sich folgende Rechnung:
Wohngebäude: 0,15 x 42 Mio. x 90 qm x 750 €/qm (= 0,425 Bill. €)
Nicht-Wohngebäude privat: 0,15 x 4,5 Mio. x 0.45 (privater Anteil) x 1.000 qm x 750 €/qm (= 0,228 Bill. €)
Nicht-Wohngebäude öffentl.: 0,15 x 4,5 Mio. x 0,55 (öff. Anteil) x 1.000 qm x 750 €/qm x 3 (Sicherheitsfaktor) (= 0,835 Bill. €)

Insgesamt: 1,488 Bill. €, gerundet 1,5 Bill. €

c) Stromsektor
Hier orientiert sich Thess an der kanarischen Insel El Hierro, die Energieautarkie anstrebte. Die Kosten pro Einwohner beliefen sich zufälligerweise wieder auf 15.000 €/P. Allerdings gibt es hier andere Bedingungen für Wind- und Solarenergie als in Deutschland. Zudem ist kein stromintensives verarbeitendes Gewerbe vorhanden. In El Hierro stellte man trotzdem fest, dass die Speicherkapazität nicht ausreichte. Thess legt angesichts all dieser und weiterer Umstände wieder den Faktor 3 an. Die Berechnung:

15.000 €/P. x 3 (Sicherheitsfaktor) x 84 Mio. P. = 3,8 Bill. €

d) Mobilität
Hier orientiert sich Thess an Opportunitätskosten, die entstehen würden, wenn man fossile Energiequellen durchsynthetische (Fischer-Tropsch-Verfahren) ersetzt. Der Liter Öl wäre (ohne Steuern) um den Faktor 6 teurer als heute. Allerdings berücksichtigt er, dass sich diese Opportunitätskosten innerhalb von 20 Jahren bis auf Null abbauen. Er macht folgende Rechnung auf:

30.000 €/P. und Jahr x 84 Mio. P. = 2,5 Bill. €

Zusammengerechnet ergibt sich:

a) Wärmesektor: 3,8 Bill. €
b) Gebäudesanierung: 1,5 Bill. €
c) Stromsektor: 3,8 Bill. €
d) Mobilität: 2,5 Bill. €
Gesamt: 11,6 Bill. €

Allerdings muss in Rechnung gestellt werden, dass nicht alle Maßnahmen hier und heute durchgeführt werden, sondern sich über ca. 20 Jahre verteilen. Bei einem angenommenen Diskontierungszinssatz von 3% (!) wäre der Barwert eines Euros in 20 Jahren nur ca. 55 Cent, nach zehn Jahren (Mittel) nur ca. 74 Cent. Daher wird zunächst ein Abschlag von 25 Prozent vorgenommen. Ein weiterer Abschlag von 15 Prozent wird aufgrund von unterstellten Steigerungen der Produktivität (Kostensenkungen aufgrund technischen Fortschritts) hinzugerechnet. Mit dem Abschlag von ca. 40 Prozent reduziert sich der o.a. Wert von 11,6 Bill. € auf einen überschlägigen Barwert an Investitions- und sonstigen Aufwendungen von 7 Bill. €. Dies macht ca. 40 Prozent des gesamten Sachvermögens in Deutschland von ungefähr 17,5 Bill. € aus (Zahlen aus 2022) – oder (nicht abgezinst) ca. 350 Mrd. € pro Jahr. Man nähert sich damit den Dimensionen eines Bundeshaushalts.
Pro Kopf der Bevölkerung stellen die Kosten von insgesamt 7 Bill. € gut 80.000 € oder ca. 75 Prozent des Median-Nettovermögens von 106.600 € dar. Bezogen auf jeden Arbeiter und Angestellten, die die Belastung letztlich zu schultern haben, ergeben sich fast 150.000 €.

Würde die geplante Regulatorik beibehalten, würde also der Sachkapitalstock um 40 Prozent abgewertet. Um dies zu verhindern, müsste jeder Arbeitnehmer in den kommenden 20 Jahren ca. 150.000 Euro aufbringen, dies sind ca. 7.500 € pro Jahr. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen in Deutschland liegt bei ca. 25.000 € pro Jahr. Die Reallohnminderung durch zusätzliche Abgaben und höhere Energiekosten würde also ca. 30 Prozent betragen müssen, wenn die Dekarbonisierungsziele erreicht werden sollen. Akzeptiert dies die Gesellschaft?

Die erneuerbaren Energien (Wärme- und Stromsektor) im engen Sinne machen ca. 65 Prozent der oben errechneten Gesamtkosten aus (s. obige Rechnung). Bei Kosten für eine Kugel Eis von 2 € (und unterstellter grober Identität der Anzahl von Haushalten und Arbeitnehmern) sind dies ca. 200 Kugeln Eis pro Monat und Haushalt. Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin veranschlagte die Kosten der Erneuerbaren Energien im Jahre 2004 auf eine Kugel Eis pro Monat und Haushalt.



Hansa PowerBridge wird nicht gebaut

Dirk Löhr

Ein weiteres Mal wird die deutsche Energiewende zurückgeworfen. Wie u.a. der Tagesspiegel berichtet, wird die 700-Megawatt-Stromleitung Hansa PowerBridge nicht gebaut. Das Investitionsvolumen wurde mit 600 Mio. Euro veranschlagt und hätte je zur Hälfte von der deutschen 50 Hertz und Svenska Kraftnät aufgebracht werden sollen. Die schwedische Regierung hat der Untersee-Stromleitung zwischen Schweden und Deutschland aber nunmehr die Genehmigung verweigert. Der deutsche Strommarkt sei nicht effizient genug, und Südschweden habe ohnehin schon ein hohes Stromdefizit, so die schwedische Energieministerin Ebba Busch. Dies könnte zu höheren Preisen in Schweden führen und den dortigen Strommarkt destabilisieren.

Habecks Gasnetzstrategie: Politik der verbrannten Erde

Dirk Löhr

Fossile Energieträger sollen in gut 20 Jahren nicht mehr zum Heizen von Gebäuden verwendet werden, so die Vision von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geht es nunmehr um die nötige Infrastruktur. Dabei sind v.a. die Erdgasnetze im Visier, die in Deutschland insgesamt 500.000 km lang sind – das ist mehr als die Distanz zum Mond. Ca. die Hälfte aller Haushalte ist hieran angeschlossen – hinzu kommen noch Teile der Industrie. Das Erdgasnetz in Deutschland ist über 100 Jahre lang gewachsen und dürfte gegenwärtig noch einen Wert von mehreren hundert Milliarden Euro haben. In einem sog. Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums wird nunmehr ein Rückbau des Gasnetzes erörtert. Der Umbau des Gasnetzes in Richtung Wasserstofftauglichkeit und die Nutzung von Wasserstoff zu Heizungszwecken wird generell mit großer Skepsis betrachtet – beides wäre derzeit unwirtschaftlich. Auch auf Biomethan werden nur beschränkte Hoffnungen gesetzt. Das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums entspricht dabei den Vorgaben der EU.

Durch die Presse ging ebenfalls das Vorhaben der Stadt Augsburg, in Überholung von Habecks Zeitplan die dortigen Erdgasnetze stillzulegen.

Wirtschaftlich sind die Überlegungen aus dem Hause Habeck teilweise verständlich, aber eben nur teilweise. Das Erdgasnetz erzeugt immense fixe Kosten, die wesentlich bedeutender als die (variablen) Kosten des Gases selber sind. Durch die gegenwärtig hohe Auslastung des Netzes kommt es zu einem erheblichen Fixkostendegressionseffekt, d.h. die fixen Kosten werden auf viele Schultern verteilt und sind für den einzelnen Verbraucher entsprechend gering.

Im Zuge der energetischen Transformation werden jedoch neue, zumindest zeitweise redundante Strukturen geschaffen, wie v.a. Fernwärmenetze. Diese werden zunächst sehr hohe Investitionskosten verursachen. Die Bereitstellungskosten fallen dann später ebenfalls als fixe Kosten an. Bezahlbar bleibt dies für die Verbraucher nur dann, wenn es auch hier zu Fixkostendegressionseffekten kommt. Hierzu müssen aber die Verbraucher auf die neuen Strukturen umgelenkt und von den alten abgezogen werden. Hierbei kommt der kommunalen Wärmeplanung eine Schlüsselrolle zu.

Nun ist den Versorgungsunternehmen nicht zuzumuten, zeitgleich Doppelstrukturen zu betreiben, bei keiner von denen die Fixkostendegressionseffekte genutzt werden können. Sie würden in wirtschaftliche Probleme gebracht, und für die Kunden wäre die Energie irgendwann nicht mehr bezahlbar. Um die Verbraucher auf die neuen Strukturen umzulenken, würde es allerdings ausreichen, dass bei fehlender wirtschaftlicher Zumutbarkeit des Betriebs der alten Infrastruktur die Versorgung der Kunden (mit entsprechendem Vorlauf und ggfs. auch unter Gewährung von Umstellungssubventionen) eingestellt werden kann. Ein Rückbau der alten Erdgasnetze ist hierfür nicht erforderlich.

Der Rückbau ist auch strategisch nicht klug: Niemand weiß, welche Technologien in Zukunft zur Verfügung stehen, über die das vorhandene Erdgasnetz nicht doch noch genutzt werden kann. Natürlich erzeugt das Erdgasnetz nach Stilllegung auch noch gewisse Kosten – diese dürften aber überschaubar sein. Doch auch der Rückbau des Netzes ist teuer. Wichtig ist: Es handelt sich beim vorhandenen Erdgasnetz um eine Option („Realoption“), die man – gerade angesichts der bestehenden Unsicherheiten bezüglich der eingeschlagenen Pfade – nicht unnötig aus der Hand geben sollte. Ganz im Gegenteil sollte man strategische Optionen in Zeiten der Unsicherheit gezielt aufbauen – selbst, wenn sie Geld kosten. Die Beibehaltung der Option „Erdgasnetz“ geht Hand in Hand mit einer Politik der Technologieoffenheit – als Gegenstück zu einer Industriepolitik mit der Anmaßung von Wissen (F. A. von Hayek) durch eine Exekutive, die eben nicht in die Zukunft blicken kann.

Transformation findet derzeit nicht nur im Wärmesektor statt, sondern auch bei der Stromerzeugung und der Mobilität. Überall entstehen angesichts der notwendigen redundanten Strukturen gewaltige Systemkosten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Politik irgendwann erkennt, dass die ursprüngliche Planung nicht einzuhalten ist, weil sie Bürger und Wirtschaft finanziell überfordert. Wenn dann aber die ursprünglichen Strukturen zerstört sind, gibt es kein Zurück.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Rieck verweist darauf, dass man mit dem Rückbau von Netzinfrastrukturen in früheren Zeiten keine guten Erfahrungen machte. Er nennt u.a. den Rückbau innerstädtischer Straßenbahnnetze unter dem Druck der Automobilindustrie als Beispiel. Heute setzt man wieder auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV); teilweise müssen die Infrastrukturen wieder reinstalliert werden.

Warum also dann Rückbau des Erdgasnetzes? Es dürfte sich, wie auch Rick schlussfolgert, um eine ganz einfache strategische Überlegung handeln: Erkennen zukünftige Regierungen, dass der eingeschlagene Weg ein Holzweg ist, der so nicht fortgesetzt werden kann, sind die Brücken hinter ihnen abgerissen. Es gibt kein Zurück; ein Beschreiten eines anderen Pfades ist unmöglich. Eine solche Politik der „verbrannten Erde“ ist nur verständlich, wenn man vom eingeschlagenen Kurs absolut überzeugt und diesen nicht mehr zu hinterfragen gewillt ist. Ein anderes Wort hierfür ist wohl „Ideologie“.

LNG-Gas statt Braunkohle: Ein Plus für das Klima?

Dirk Löhr

Ende März werden sieben weitere Braunkohle-Kraftwerksblöcke endgültig stillgelegt. Der Kohleausstieg nimmt Fahrt auf. Um die Lücke zu füllen und die Volatilität des Flatterstroms aus Erneuerbaren Energien auszugleichen, sollen vermehrt Gaskraftwerke zugebaut werden. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Fracking-Gas aus den USA. Während dieser Tausch viel Geld kostet (s. z.B. unseren Blogbeitrag vom 7. Januar 2024), wird die Klimawirksamkeit bezweifelt. Hierzu sei der Report “LNG-Gas: Rettung in der Energiekrise oder schlechtester Deal aller Zeiten” von “Breaking Lab” auf das Wärmste empfohlen. Es scheint, dass Klimaminister Habeck auch bezüglich seines Herzensprojekts, der Energiewende, nur auf Sicht fährt.

Bildquelle: Breaking Lab

Bundesrechnungshof: Energiewende nicht auf Kurs

Dirk Löhr

Nach den Vorstellungen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Damit dieses Ziel erreicht wird, bedarf es eines erheblichen Ausbaus der Solarenergie und Windkraft. Zudem müssen die Stromnetze massiv erweitert werden, denn der Strom muss ja auch transportiert werden. Beim Strom aus erneuerbaren Energien handelt es sich aber zumeist um “Flatterstrom”: Die Sonne scheint nicht immer, und der Wind bläst auch nur zeitweise. Problematisch sind dabei weniger die stundenweise auftretenden “Dunkelflauten”, sondern solche, die längerfristig auftreten – wie im vergangenen Herbst. Aus diesem Grunde benötigt man eine redundante Infrastruktur aus konventionellen Kraftwerken, die einspringen kann, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen. Habeck setzt hierbei v.a. auf Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff nachgerüstet werden können.

Nunmehr hat der unabhängige Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 7.3.2024 die Politik des Bundeswirtschaftsministers stark kritisiert. Dabei werden noch nicht einmal die Ziele infrage gestellt: Es nutzt relativ wenig, wenn ein Land bei der “Klimarettung” voranschreitet. Der Anteil Deutschlands an den CO2-Emissionen ist mit ca. 2 Prozent viel zu klein, um im Alleingang nennenswerte Effekte zu erreichen – zumal die deutsche Wirtschaft ja schon relativ sauber produziert. Weniger deutsche Nachfrage nach fossilen Energieträgern erzeugt andererseits tendenziell einen – wenngleich ebenfalls überschaubaren – Druck auf die Weltmarktpreise. Was Deutschland nicht verbraucht, nehmen dann eben dankend Schwellen- und Entwicklungsländer. Sinn ergäbe die Habeck-Strategie im Rahmen eines Klima-Clubs, dem neben der EU auch China, die USA und Rohstoffsupermächte wie z.B. Russland (ja!) angehören müssten. Solange unsere Außenministerin aber den chinesischen Präsidenten als “Diktator” beschimpft, dürfte sich die diese Richtung wenig bewegen.

Der Bundesrechnungshof stellt aber die Sinnhaftigkeit dieser Vorreiterstrategie Deutschlands gar nicht infrage. Er kritisiert vielmehr die Umsetzung der Klimastrategie. Kernpunkte:

  • Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last (Dunkelflaute) nicht ausgleichen. So haben seit der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke die Stromimporte massiv zugenommen, ironischerweise v.a. aus dem Kernkraftland Frankreich. Der Bundesrechnungshof bewertet dabei die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als “wirklichkeitsfremd”. Dem Monitoring liegt ein einziges “best case-Szenario” zugrunde. Gefahren und Handlungsbedarfe werden so nicht sichtbar, das Monitoring verliert seine Eignung als Frühwarnsystem. Geleitet wird die Bundesnetzagentur von Klaus Müller, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet auch nicht schnell genug voran, Backup-Kapazitäten sind nicht gesichert. Das Gutachten: “Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km”. Das Thema Backup-Kapazitäten wurde in einem anderen Blog-Beitrag vom 7.1.2024 bereits behandelt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung aus dem alten Energieversorgungs-Regime faktisch verabschiedete, ohne einen Ersatz parat zu haben.
  • Die wahren Kosten der Energiewende werden verschleiert. Mittlerweile hat es sich selbst bei den Grünen herumgesprochen, dass die Rechnung Jürgen Trittins aus dem Jahre 2004, die Energiewende würde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, nicht aufgeht. Dennoch: Mit dem gängigen grünen Narrativ stellt man immer noch auf die geringen Grenzkosten der meisten Erneuerbaren ab. Das ist insoweit richtig, als z.B. eine Kilowattstunde zusätzlich erzeugten Stroms durch Windkraft kaum etwas kostet. Wahr ist allerdings auch: Die Systemkosten der Erneuerbaren sind enorm. Bis zum Jahr 2045 wird allein der Ausbau der Stromnetze 460 Mrd. Euro verschlingen. Das auch wegen des Flatterstroms erforderliche Netzengpassmanagement wird ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr verschlingen. Zusammen mit der Stromerzeugung fallen bis 2045 voraussichtlich 1,1 Billionen Euro an Kosten an. Das Narrativ von der billigen grünen Energie ist also ein Märchen für Erwachsene. Schon heute sind die Strompreise in Deutschland mit die höchsten weltweit. Die Bundesregierung versucht derzeit, die hohen Energiekosten oder die Umstellung der Unternehmen auf die schöne neue grüne Welt nach Kassenlage und punktuell herunter zu subventionieren. Beispielsweise überreichte Habeck im Januar 2024 einen Scheck über 2,6 Mrd. Euro zur Umstellung der Stahlindustrie im Saarland. Die Subventionitis untergräbt jedoch – so der Bundesrechnungshof – die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Für energieintensivere Unternehmen (Deutschland war einer der energieintensivsten Wirtschaftsstandorte weltweit) sind die Energiekosten nicht mehr planbar. Viele Unternehmen, zuletzt der Traditionshersteller Miele, verlassen den Standort bzw. reinvestieren nicht mehr.

Die Energiewende aus dem Hause Habeck ist sicher gut gemeint. Leider ist “gut gemeint” das Gegenteil von “gut”.

Habeck guckt ins Loch: Wieder fehlen 60 Mrd. Euro!

Dirk Löhr

Die Energiewende, so der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin im Jahre 2004, werde den Durchschnittshaushalt umgerechnet nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten. Damals waren dies 50 Cent.

Die Hoffnung der Protagonisten war, dass viele Erneuerbare Energien (EE) mit geringen Grenzkosten arbeiten. Eine zusätzliche Kilowattstunde, die von einem Windkraftwerk erzeugt wird, kostet fast nichts. Ähnliches gilt für Solarstrom.

Das ist allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit. EE-Strom hat eine ganz andere Qualität als der Strom aus grundlastfähiger Erzeugung (Kernkraftwerke, Steinkohlekraftwerke). Manchmal weht der Wind, manchmal scheint die Sonne, manchmal nicht. Im Gegensatz zum Grundlaststrom handelt es sich also um Flatterstrom. Das Gegenargument: Über ein intelligentes Management könnte die Stromnachfrage dem volatilen Angebot an EE-Strom angepasst werden. Beispielsweise könnten Smart Grids feststellen, wann das Angebot hoch ist – dann könnten Kühlschränke und Waschmaschinen laufen oder E-Autos betankt werden. Diese Geräte könnten zudem als Stromspeicher dienen und in Zeiten der Angebotsschwäche Strom ins Netz geben. Bis dorthin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Die betreffende Technik steht nicht zu leistbaren Preisen und flächendeckend zur Verfügung. U.a. ist Lithium knapp. Das Rennen um die bolivianischen Lithiumvorkommen machten Russland und China , die Herrschaft über die Vorkommen in der Ukraine ist angesichts der prekären Lage der ukrainischen Armee ungewiss. Das wichtigere Argument, u.a. von Hans-Werner Sinn immer wieder hervorgebracht ist jedoch, dass weniger die kurzfristigen Angebotsschwankungen Sorge bereiten, sondern die langfristigen, saisonalen. Im Winter kann es Wochen und Monaten der Dunkelflaute geben, Phasen also, in denen weder der Wind weht noch die Sonne scheint. Die Abfederung einer solchen Dunkelflaute über Kohlekraftwerke führte dazu, dass im Oktober und November 2023 die deutsche Stromproduktion eine der dreckigsten in ganz Europa war.

Eine Anpassung der Nachfrage an das schwankende Angebot ist derzeit in umweltverträglicher Weise faktisch nicht machbar. Hier bedürfte es immenser Speicherkapazitäten. Mit der derzeitigen Speicherkapazität könnte ganz Deutschland allerdings gerade einmal eine Stunde lang mit Strom versorgt werden. Technisch denkbare Alternativen sind derzeit ökonomisch nicht tragfähig.

An dieser Stelle geht es nicht ohne mit Gas arbeitenden Backup-Kraftwerke, welche in die Lücke springen müssen. Gaskraftwerke sind klimafreundlicher als Kohlekraftwerke; ggfs. lassen sich sich auch später auf Wasserstoff umrüsten (was auf absehbare Zeit jedoch ebenfalls noch unwirtschaftlich ist). An dieser Stelle könnte viel über die unsinnige Sanktionspolitik gegenüber Russland und andere fehlgeleitete Bereiche der Energiepolitik geredet werden. U.a. wird US-amerikanisches Frackinggas zu enormen Preisen hierzulande verwendet, ohne dass eine Einflussnahme auf die Art und Weise der Förderung besteht (während hierzulande Fracking aus Gründen des Umweltschutzes verboten ist). Das Thema der abgeschalteten AKWs und der hier zurückgenommenen Forschungsförderung kann vorliegend nicht ausgewalzt werden.

Interessant ist nun, dass derzeit der Bedarf an neuen fossilen Backup-Kraftwerken (Gas) bis 2030 auf rd. 50 Stück eingeschätzt wird. Angesichts der erratischen Energiepolitik ist es jedoch kaum wahrscheinlich, dass private Investoren diese Lücke ohne entsprechende Subventionszusagen füllen werden. Eine Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI) für das Handelsblatt zeigt, dass „für den Neubau von Kraftwerken in Deutschland rechnerische Deckungsbeiträge in Höhe von rund 60 Milliarden Euro fehlen“ (so EWI-Experte Philipp Kienscherf).

Neben das durch das Karlsruher Urteil erzeugte 60 Mrd. Euro-Loch tritt nun, schön symmetrisch, also noch ein zweites 60 Mrd. Euro-Loch hinzu. Dies stellt auch den Kohleausstieg bis 2030 noch stärker als bisher infrage. Heute kostet eine Kugel Eis ca. 1,60 Euro. Jeder der ca. 41 Mio. Haushalte Deutschlands müsste bis 2030 monatlich ca. 13 Eiskugeln konsumieren, um allein auf diesen Teilbetrag der Kosten der Energiewende zu kommen.  Wenigstens hält Habecks Politik die Bürger schlank.

Es sind jedoch nicht nur die zeitlichen, sondern auch die regionalen Spitzen, die ausgeglichen werden müssen. Angesichts eines für die Energiewende unzureichend ausgebauten Netzes muss an Engpässen gegebenenfalls auf- und abgeregelt werden. Die vor dem Engpass stillgelegten Kraftwerke bekommen jedoch eine Entschädigung für den Ausfall, und die hinter dem Engpass hochgeregelten Kraftwerke erhalten ebenfalls eine Kompensation für das bloße Stand-by. Allein diese Redispatch-Maßnahmen verschlingen pro Jahr fast drei Mrd. Euro. Ein Marktdesign, das über unterschiedliche Preiszonen (Market Splitting, Nodal Pricing) Anreize für einen “automatischen” Ausgleich gibt und den Subventionsbedarf reduziert, ist derzeit noch nicht in Sicht.

Dies alles beschreibt indessen noch nicht den gesamten Finanzbedarf. Der durch den EE-Flatterstrom notwendige Netzausbau und die erforderliche Netzverstärkung kostet ebenfalls Geld. Dies wird allerdings auf die Netzentgelte umgelegt.

Insgesamt dürfte die Energiewende – wenn sie denn bis 2045 gelingen soll – ungefähr 1,1 Billionen Euro kosten. Dies sind insgesamt ca. 16.700 Kugeln Eis pro Haushalt – oder, gleichmäßig verteilt auf die 252 Monate bis 2045 ca. 66 Eiskugeln zu 1,60 Euro pro Haushalt und Monat.

All die genannten Kosten (Netzausbau und -verstärkung, Reservekraftwerke, Redispatch, Speicher) müssten in einem marktwirtschaftlich funktionierenden System eigentlich dem Verursacher angelastet werden – dies sind die Erneuerbaren Energien. Entgegen dem Märchen von den billigen EE würden diese damit aber aus dem Markt geworfen; sie könnten kostenmäßig nicht mehr konkurrieren. Also werden sie subventioniert. Der bessere Weg, um die relativen Preise zwischen EE und fossilen Energieträgern zu beeinflussen, wäre eine Verteuerung der fossilen Energieträger über ein entsprechend ausgebautes Emissionshandelssystem. Dieses müsste allerdings über ein entsprechendes Klimageld sozial abgefedert werden, wofür nach dem Karlsruher Urteil vom November 2023 jedoch das Geld fehlt. Die Frage, was anstelle des Klimageldes gestrichen bzw. aufgeschoben werden könnte, kann mangels Raum vorliegend nicht behandelt werden. Es ließe sich jedoch auch über Subventionen diskutieren, wenn diese in ihrer Belastungswirkung transparent wären. Tatsächlich findet aber ein intransparentes Subventionsgeflecht statt, das einmal auf Kosten des Staatshaushalts, dann wieder zu Lasten der Verbraucher (mit Unterschieden) geht und z.B. über die Erhöhung der Netzentgelte auch andere Energieträger mittelbar mitbelastet. Von „Kostenwahrheit“ der Klimawende kann somit keine Rede sein. Die Politik des Bundeswirtschaftsministeriums ist chaotisch wie intransparent, eine Planwirtschaft ohne Plan.

Das 60 Mrd. Euro-Loch kommt für das Bundeswirtschaftsministerium genauso überraschend wie der Winter für die Deutsche Bahn AG. Eine erneute Haushaltsnotlage auszurufen, um das Loch an der Schuldenbremse vorbei doch noch zu stopfen, dürfte Karlsruhe nicht mitmachen. Die betreffenden Notlagen beschränken sich auf solche aus externen Einflüssen wie Naturkatastrophen, nicht aber auf intellektuelle Notlagen aufgrund mangelhafter Planung und schlechter Politikkonzeptionen.

Deutschland hat eine der energieintensivsten Wirtschaften auf der ganzen Welt. Ein großer Teil der energieintensiven Wirtschaft hält sich angesichts der derzeitigen Politik und der von ihr gesetzten Rahmenbedingungen mit Ersatzinvestitionen zurück und verlagert Neuinvestitionen in andere Teile der Welt.

Ohne eine leistungsfähige Wirtschaft wird Deutschland auch politisch bedeutungslos. Dennoch wird Deutschland mit seiner Energiepolitik ein Vorbild sein – es zeigt, wie man es auf keinen Fall machen sollte.

Wie Lokalpolitiker mit Windrädern Kasse machen (Report Mainz, ARD)

Dirk Löhr

Warum weisen Gemeinderäte Flächen für Windräder dort aus, wo sie nicht hingehören? Weil die Flächen Mitgliedern des Gemeinderates oder gar dem Bürgermeister selbst gehören. Während man mit der Verpachtung von einem Hektar Land pro Jahr vielleicht so an die 500 Euro (abhängig von der Lage und der Qualität) erzielen kann, können dies mit einem Windrad darauf schon einmal bis zu 50.000 Euro sein. So wird ein großer Teil der Förderung der Erneuerbaren Energien nicht von den Betreibern der Anlagen eingestrichen, sondern von den Bodeneigentümern.

Wenn man dann im Gemeinderat selber über einen solchen Geldsegen befinden kann, ist die Versuchung, in die eigene Tasche zu wirtschaften, natürlich groß. Die Planung der Flächen ist dann nicht mehr neutral – das Rent Seeking dominiert. Dies zeigt eindrucksvoll die Reportage von Report Mainz (27.01.2014):

Wie Lokalpolitiker mit Windrädern Kasse machen (bitte klicken)

Die Erträge werden gerne von der kleinen, politisch gut vernetzten Kaste eingenommen, die damit verbundenen Kosten hingegen auf die schlecht organisierte Gemeinschaft abgewälzt: Zu diesen Kosten gehört auch die sinkende Akzeptanz der Windkraft in vielen Regionen. Kosten werden im Übrigen auch oft im Rahmen einer unkoordinierten Planung auf Nachbargemeinden abgewälzt, wenn diesen beispielsweise die Windräder in Distanz von der eigenen Siedlung direkt vor die Nase  gestellt werden.

Eigentlich sollte es doch ganz einfach sein: Ein Gesetz, das einmal vorsieht, Windräder nur noch auf öffentlichen Flächen zuzulassen. Und zwar nur dann, wenn zuvor beim Ausweis dieser Flächen ein Koordinierungsverfahren mit den Nachbarkommunen stattfand.

Würden die energetischen Bodenrenten in öffentliche statt in private Kassen fließen, würde das nicht nur die Energiewende verbilligen, sondern auch manche Fehlplanung verhindern und die Akzeptanz der Windenergie bei den Bürgern erhöhen.

 

 

Umstrukturierung bei E.ON: Geburt einer “Energy-Bad Bank”?

Dirk Löhr

Deutschlands größtes Energieversorgungsunternehmen E.ON wird radikal umstrukturiert. Der schwer angeschlagene und hoch verschuldete Energiegigant E.ON reagiert vor allem damit auf den Preissturz bei Großhandelspreisen für Strom seit Anfang 2013 (o.V. / n-tv 2014). Eine wichtige Ursache hierfür sind die Überkapazitäten an Kraftwerken und der Ausbau der erneuerbaren Energien („Merit Order-Effekt“).

Die Kernmarke von E.ON wird sich künftig auf die Sparten erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen konzentrieren. Die konventionelle Energieerzeugung, der globale Energiehandel sowie Exploration und Produktion werden in eine neue, eigenständige Gesellschaft überführt. Diese soll 2016 mehrheitlich abgespalten und danach an die Börse gebracht werden. Zunächst will E.ON an der neuen Gesellschaft noch eine Minderheitsbeteiligung halten, die mittelfristig aber gewinnbringend veräußert werden soll (E.ON 2014).

Damit werden sowohl das Upstream-Geschäft (Exploration und Förderung fossiler Energien) sowie die Grundlasttechnologien (v.a. die sieben Atommeiler sowie die Kohlekraftwerke) ausgelagert. Mit diesen Feldern sind erhebliche und längerfristig wachsende wirtschaftliche und politische Risiken verbunden. Entgegen den Äußerungen des E.ON-Vorstandsvorsitzenden Teyssen dürften die 14,5 Milliarden Rückstellungen nämlich kaum ausreichen, um die Risiken des Rückbaus der Kernkraftwerke sowie der Endlagerung des Atommülls zu bewältigen. Und auch über den noch einigermaßen einträglichen – weil abgeschriebenen – älteren Kohlemeilern schwebt das Damoklesschwert einer stringenteren Klimapolitik: Würden die CO2-Verschmutzungsrechte so beschränkt, wie dies für das Erreichen des 2-Grad-Zieles notwendig wäre, würde dies wohl den meisten Kohlekraftwerken den Hals brechen. So dürfte die Umstrukturierung v.a. risikopolitisch motiviert sein: Man schafft so etwas wie eine “Energy-Bad Bank”, über die die größten Risiken ausgelagert werden. Das Kalkül der Eigentümer und zukünftigen Anleger dürfte freilich ein wenig anders aussehen als bei den Vorbildern aus der Finanzwelt: Solange die angesprochenen Risiken noch nicht schlagend werden, kassiert E.ON noch fleissig mit. Auf lange Sicht, so das Kalkül, sind die tradierten Geschäftsfelder aber nicht mehr zu halten. Die Übergabe der Anteile erfolgt daher zeitig und zu einem akzeptablen Preis an Zocker, die darauf wetten, dass es der Lobby des neuen Unternehmens gelingt, die Folgelasten der Kernkraft auf die Allgemeinheit abzuwälzen und erfolgreich die Maßnahmen gegen den Klimawandel bis auf Weiteres zu torpedieren. Ansonsten würde ein Investment in die neue Gesellschaft wenig Sinn ergeben. Die neue Gesellschaft wird also erhebliche Kapazitäten auf ein Lobbying zu Gunsten der fossilen Technologien verwenden müssen – nach der Abtrennung kann es dies aber tun, ohne die Marke E.ON reputationsmäßig zu beschmutzen. Das Spiel heißt somit „good guy, bad guy“.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Umstrukturierung ebenso wie die Aktienmärkte – man hat von beiden eigentlich nichts anderes erwartet (o.V. / ZeitOnline 2014). Ob E.ON allerdings als Vorbild für die anderen großen „Energieversorger“ dient, bleibt abzuwarten. RWE erklärte bereits, einen anderen Weg gehen zu wollen und den Konzern fortan „weiterhin entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf(zu)stellen”.

Mehr Informationen:

E.ON (2014): Empowering customers. Shaping markets, Stellungnahme vom 01.12. Online: http://www.eon.com/content/dam/eon-com/Investoren/2014_11_30_EON_Investor_Relations_Charts.pdf

o.V. / n-tv (2014): Eine „neue Welt“ spaltet Energieriesen Eon, n-tv vom 01.12. Online: http://www.n-tv.de/wirtschaft/Eine-neue-Welt-spaltet-Energieriesen-Eon-article14069336.html

o.V. / ZeitOnline (2014): E.on will sich „radikal“ verändern, Zeit Online vom 01.12. Online: http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2014-12/eon-energiekonzern-umbauplaene-energiewende

Frontal 21 (ZDF): Braunkohleboom in Brandenburg

Dirk Löhr

Energiewende pervers – und die Rolle der kohleaffinen (das kann man ruhig im doppelten Wortsinne verstehen) SPD hierbei.

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Darüber berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21 am 9.9. um 21.00. Sehenswert!

Link zur Sendung (bitte klicken)

Mehr Informationen zu diesem Thema finden sich auch in unserem Blogbeitrag “Gewinne und Renten: Beispiel Stromproduktion“.

 

Landwirte unter Druck – Äcker werden knapp und teuer

Dirk Löhr

Die landwirtschaftlichen Flächen werden immer knapper. Ein Grund: Es gibt keine kompaktere Energieform als Öl. Energiewende heißt aber: Was wir uns in der Vergangenheit in dieser kompakten Form aus der Erde geholt haben, werden wir fortan mit den Erneuerbaren Energien verstärkt über der Erde machen müssen, und zwar relativ extensiv.

Maize_field_in_Bavaria_in_Summer_2013

Die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen für die Energiegewinnung steigt daher. Gleichzeitig wird das Angebot an landwirtschaftlichen Flächen verknappt, z.B. durch das Vordringen von Siedlungs- und Verkehrsflächen (zwischen 80-90 ha pro Tag in Deutschland), ökologischen Ausgleichsflächen oder Flächen zum Hochwasserschutz. Die grün-rote Landesregierung in Rheinland-Pfalz hat dabei noch das traditionelle Ausgleichsventil geschlossen, mit dem die Landwirte in der Vergangenheit den Flächenverlust ausglichen: Den Grünlandumbruch, der mit enormen CO2-Emissionen verbunden ist.

Allein schon die Verknappung der landwirtschaftlichen Flächen führt zu höheren Bodenrenten und Pachten (über diese fließen die Bodenrenten in die Taschen der Bodeneigentümer).  Aufgrund der Verknappung der Flächen treten auch die schon von David Ricardo (1772-1823) gefundenen Marktgesetze in Reinform zu Tage: Dementsprechend sickern alle Subventionen in Gestalt höherer Bodenrenten zu den Bodeneigentümern durch. Dies sind nicht nur die Landwirtschaftssubventionen der EU, die immer noch zum allergrößten Teil nach Flächen bezahlt werden.  Auch die EEG-Förderungen haben eine ähnliche Wirkung. Wo Biogasanlagen stehen, steht auch viel Mais (für die Biogasanlagen), und dort steigen die Pacht- und Bodenpreise.

Biogasspeicher_auf_dem_Gärrestebehälter_des_Hofes_von_Herrn_Heinz_Hofmann_in_Üttfeld_in_der_Eifel

Konventionell wirtschaftende oder gar Biobauern können das nicht mehr bezahlen. Sie unterliegen der Konkurrenz durch die Energiebauern, ihre Existenzgrundlage wird entzogen. Ähnliches gilt für Schäfer. Was sie an Förderungen erhalten, fließt an die Eigentümer der Flächen ab.

Einen interessanten Beitrag hierzu liefert mit Bezug auf Rheinland-Pfalz der Podcast von SWR 1 (“Thema heute”) vom 21.8.2014 “Landwirte unter Druck – Äcker werden knapp und teuer”:
http://www.swr.de/swr1/rp/programm/landwirte-unter-druck-aecker-werden-knapp-und-teuer/-/id=446640/did=14031150/nid=446640/5dwtqd/index.html

Was wäre zu tun? Zunächst einmal ginge es darum, planerisch Schutzräume für konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern auszuweisen. Wäre auf den betreffenden Flächen nichts anderes als konventionelle oder ökologische Landwirtschaft erlaubt, würden dort die Pachten und Bodenwerte auch sinken.

Die Subventionierung durch die EU und auch im Rahmen der Energiewende muss überdacht werden. Am Ende wird der Bodeneigentümer subventioniert, nicht der Bauer, bei dem die Subvention eigentlich ankommen soll. Man kennt das Phänomen aus anderen Bereichen, wenn sich beispielsweise private Bodeneigentümer eine goldene Nase verdienen, die ihre Flächen an einen durch das EEG subventionierte Windkraftanlagenbetreiber verpachten – zumal am Ende der Eigentümer der Fläche eine hohe Pacht abzieht, wirft die Anlage für ihren Betreiber oft nur eine magere Rendite ab.

Knappe Flächen sollten eigentlich bessere Preise für die Landwirte bedeuten. Diese stoßen allerdings auf eine Nachfragemacht, die durch wenige Einzelhandelsriesen um Aldi & Co. gebildet wird und die die Bauern bis ins Unerträgliche in den Preisen drücken. Diese Nachfragemacht ist – wie wir in diesem Blog schon herausgestellt haben (s. den Blogbeitrag: “Gewinne und Renten: Alles Aldi oder was?”) nicht zuletzt durch die großzügige Politik der untereinander konkurrierenden Kommunen zugunsten von Aldi & Co. zustande gekommen. Die Fehler der Vergangenheit sind schwer zu korrigieren, man sollte aber den Versuch nicht unterlassen.