Category Archives: Sustainable Economic Order

Habecks Gasnetzstrategie: Politik der verbrannten Erde

Dirk Löhr

Fossile Energieträger sollen in gut 20 Jahren nicht mehr zum Heizen von Gebäuden verwendet werden, so die Vision von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geht es nunmehr um die nötige Infrastruktur. Dabei sind v.a. die Erdgasnetze im Visier, die in Deutschland insgesamt 500.000 km lang sind – das ist mehr als die Distanz zum Mond. Ca. die Hälfte aller Haushalte ist hieran angeschlossen – hinzu kommen noch Teile der Industrie. Das Erdgasnetz in Deutschland ist über 100 Jahre lang gewachsen und dürfte gegenwärtig noch einen Wert von mehreren hundert Milliarden Euro haben. In einem sog. Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums wird nunmehr ein Rückbau des Gasnetzes erörtert. Der Umbau des Gasnetzes in Richtung Wasserstofftauglichkeit und die Nutzung von Wasserstoff zu Heizungszwecken wird generell mit großer Skepsis betrachtet – beides wäre derzeit unwirtschaftlich. Auch auf Biomethan werden nur beschränkte Hoffnungen gesetzt. Das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums entspricht dabei den Vorgaben der EU.

Durch die Presse ging ebenfalls das Vorhaben der Stadt Augsburg, in Überholung von Habecks Zeitplan die dortigen Erdgasnetze stillzulegen.

Wirtschaftlich sind die Überlegungen aus dem Hause Habeck teilweise verständlich, aber eben nur teilweise. Das Erdgasnetz erzeugt immense fixe Kosten, die wesentlich bedeutender als die (variablen) Kosten des Gases selber sind. Durch die gegenwärtig hohe Auslastung des Netzes kommt es zu einem erheblichen Fixkostendegressionseffekt, d.h. die fixen Kosten werden auf viele Schultern verteilt und sind für den einzelnen Verbraucher entsprechend gering.

Im Zuge der energetischen Transformation werden jedoch neue, zumindest zeitweise redundante Strukturen geschaffen, wie v.a. Fernwärmenetze. Diese werden zunächst sehr hohe Investitionskosten verursachen. Die Bereitstellungskosten fallen dann später ebenfalls als fixe Kosten an. Bezahlbar bleibt dies für die Verbraucher nur dann, wenn es auch hier zu Fixkostendegressionseffekten kommt. Hierzu müssen aber die Verbraucher auf die neuen Strukturen umgelenkt und von den alten abgezogen werden. Hierbei kommt der kommunalen Wärmeplanung eine Schlüsselrolle zu.

Nun ist den Versorgungsunternehmen nicht zuzumuten, zeitgleich Doppelstrukturen zu betreiben, bei keiner von denen die Fixkostendegressionseffekte genutzt werden können. Sie würden in wirtschaftliche Probleme gebracht, und für die Kunden wäre die Energie irgendwann nicht mehr bezahlbar. Um die Verbraucher auf die neuen Strukturen umzulenken, würde es allerdings ausreichen, dass bei fehlender wirtschaftlicher Zumutbarkeit des Betriebs der alten Infrastruktur die Versorgung der Kunden (mit entsprechendem Vorlauf und ggfs. auch unter Gewährung von Umstellungssubventionen) eingestellt werden kann. Ein Rückbau der alten Erdgasnetze ist hierfür nicht erforderlich.

Der Rückbau ist auch strategisch nicht klug: Niemand weiß, welche Technologien in Zukunft zur Verfügung stehen, über die das vorhandene Erdgasnetz nicht doch noch genutzt werden kann. Natürlich erzeugt das Erdgasnetz nach Stilllegung auch noch gewisse Kosten – diese dürften aber überschaubar sein. Doch auch der Rückbau des Netzes ist teuer. Wichtig ist: Es handelt sich beim vorhandenen Erdgasnetz um eine Option („Realoption“), die man – gerade angesichts der bestehenden Unsicherheiten bezüglich der eingeschlagenen Pfade – nicht unnötig aus der Hand geben sollte. Ganz im Gegenteil sollte man strategische Optionen in Zeiten der Unsicherheit gezielt aufbauen – selbst, wenn sie Geld kosten. Die Beibehaltung der Option „Erdgasnetz“ geht Hand in Hand mit einer Politik der Technologieoffenheit – als Gegenstück zu einer Industriepolitik mit der Anmaßung von Wissen (F. A. von Hayek) durch eine Exekutive, die eben nicht in die Zukunft blicken kann.

Transformation findet derzeit nicht nur im Wärmesektor statt, sondern auch bei der Stromerzeugung und der Mobilität. Überall entstehen angesichts der notwendigen redundanten Strukturen gewaltige Systemkosten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Politik irgendwann erkennt, dass die ursprüngliche Planung nicht einzuhalten ist, weil sie Bürger und Wirtschaft finanziell überfordert. Wenn dann aber die ursprünglichen Strukturen zerstört sind, gibt es kein Zurück.

Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Rieck verweist darauf, dass man mit dem Rückbau von Netzinfrastrukturen in früheren Zeiten keine guten Erfahrungen machte. Er nennt u.a. den Rückbau innerstädtischer Straßenbahnnetze unter dem Druck der Automobilindustrie als Beispiel. Heute setzt man wieder auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV); teilweise müssen die Infrastrukturen wieder reinstalliert werden.

Warum also dann Rückbau des Erdgasnetzes? Es dürfte sich, wie auch Rick schlussfolgert, um eine ganz einfache strategische Überlegung handeln: Erkennen zukünftige Regierungen, dass der eingeschlagene Weg ein Holzweg ist, der so nicht fortgesetzt werden kann, sind die Brücken hinter ihnen abgerissen. Es gibt kein Zurück; ein Beschreiten eines anderen Pfades ist unmöglich. Eine solche Politik der „verbrannten Erde“ ist nur verständlich, wenn man vom eingeschlagenen Kurs absolut überzeugt und diesen nicht mehr zu hinterfragen gewillt ist. Ein anderes Wort hierfür ist wohl „Ideologie“.

Bundesrechnungshof: Energiewende nicht auf Kurs

Dirk Löhr

Nach den Vorstellungen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Damit dieses Ziel erreicht wird, bedarf es eines erheblichen Ausbaus der Solarenergie und Windkraft. Zudem müssen die Stromnetze massiv erweitert werden, denn der Strom muss ja auch transportiert werden. Beim Strom aus erneuerbaren Energien handelt es sich aber zumeist um “Flatterstrom”: Die Sonne scheint nicht immer, und der Wind bläst auch nur zeitweise. Problematisch sind dabei weniger die stundenweise auftretenden “Dunkelflauten”, sondern solche, die längerfristig auftreten – wie im vergangenen Herbst. Aus diesem Grunde benötigt man eine redundante Infrastruktur aus konventionellen Kraftwerken, die einspringen kann, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen. Habeck setzt hierbei v.a. auf Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff nachgerüstet werden können.

Nunmehr hat der unabhängige Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 7.3.2024 die Politik des Bundeswirtschaftsministers stark kritisiert. Dabei werden noch nicht einmal die Ziele infrage gestellt: Es nutzt relativ wenig, wenn ein Land bei der “Klimarettung” voranschreitet. Der Anteil Deutschlands an den CO2-Emissionen ist mit ca. 2 Prozent viel zu klein, um im Alleingang nennenswerte Effekte zu erreichen – zumal die deutsche Wirtschaft ja schon relativ sauber produziert. Weniger deutsche Nachfrage nach fossilen Energieträgern erzeugt andererseits tendenziell einen – wenngleich ebenfalls überschaubaren – Druck auf die Weltmarktpreise. Was Deutschland nicht verbraucht, nehmen dann eben dankend Schwellen- und Entwicklungsländer. Sinn ergäbe die Habeck-Strategie im Rahmen eines Klima-Clubs, dem neben der EU auch China, die USA und Rohstoffsupermächte wie z.B. Russland (ja!) angehören müssten. Solange unsere Außenministerin aber den chinesischen Präsidenten als “Diktator” beschimpft, dürfte sich die diese Richtung wenig bewegen.

Der Bundesrechnungshof stellt aber die Sinnhaftigkeit dieser Vorreiterstrategie Deutschlands gar nicht infrage. Er kritisiert vielmehr die Umsetzung der Klimastrategie. Kernpunkte:

  • Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last (Dunkelflaute) nicht ausgleichen. So haben seit der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke die Stromimporte massiv zugenommen, ironischerweise v.a. aus dem Kernkraftland Frankreich. Der Bundesrechnungshof bewertet dabei die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als “wirklichkeitsfremd”. Dem Monitoring liegt ein einziges “best case-Szenario” zugrunde. Gefahren und Handlungsbedarfe werden so nicht sichtbar, das Monitoring verliert seine Eignung als Frühwarnsystem. Geleitet wird die Bundesnetzagentur von Klaus Müller, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet auch nicht schnell genug voran, Backup-Kapazitäten sind nicht gesichert. Das Gutachten: “Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km”. Das Thema Backup-Kapazitäten wurde in einem anderen Blog-Beitrag vom 7.1.2024 bereits behandelt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung aus dem alten Energieversorgungs-Regime faktisch verabschiedete, ohne einen Ersatz parat zu haben.
  • Die wahren Kosten der Energiewende werden verschleiert. Mittlerweile hat es sich selbst bei den Grünen herumgesprochen, dass die Rechnung Jürgen Trittins aus dem Jahre 2004, die Energiewende würde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, nicht aufgeht. Dennoch: Mit dem gängigen grünen Narrativ stellt man immer noch auf die geringen Grenzkosten der meisten Erneuerbaren ab. Das ist insoweit richtig, als z.B. eine Kilowattstunde zusätzlich erzeugten Stroms durch Windkraft kaum etwas kostet. Wahr ist allerdings auch: Die Systemkosten der Erneuerbaren sind enorm. Bis zum Jahr 2045 wird allein der Ausbau der Stromnetze 460 Mrd. Euro verschlingen. Das auch wegen des Flatterstroms erforderliche Netzengpassmanagement wird ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr verschlingen. Zusammen mit der Stromerzeugung fallen bis 2045 voraussichtlich 1,1 Billionen Euro an Kosten an. Das Narrativ von der billigen grünen Energie ist also ein Märchen für Erwachsene. Schon heute sind die Strompreise in Deutschland mit die höchsten weltweit. Die Bundesregierung versucht derzeit, die hohen Energiekosten oder die Umstellung der Unternehmen auf die schöne neue grüne Welt nach Kassenlage und punktuell herunter zu subventionieren. Beispielsweise überreichte Habeck im Januar 2024 einen Scheck über 2,6 Mrd. Euro zur Umstellung der Stahlindustrie im Saarland. Die Subventionitis untergräbt jedoch – so der Bundesrechnungshof – die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Für energieintensivere Unternehmen (Deutschland war einer der energieintensivsten Wirtschaftsstandorte weltweit) sind die Energiekosten nicht mehr planbar. Viele Unternehmen, zuletzt der Traditionshersteller Miele, verlassen den Standort bzw. reinvestieren nicht mehr.

Die Energiewende aus dem Hause Habeck ist sicher gut gemeint. Leider ist “gut gemeint” das Gegenteil von “gut”.

Kommt der “Bau-Turbo” ins Stocken?

Dirk Löhr

Der Wohnungsbau bleibt weit hinter den von der Bundesregierung gesteckten Ziele zurück. So wurden 2023 nur 270.000 statt der geplanten 400.000 Wohnungen fertiggestellt. Die “Baukrise” hat unterschiedliche Ursachen. Hohe Zinsen, die gestiegenen Baukosten und mangelnde Baulandverfügbarkeit bilden ein giftiges Gemisch. Das Bundesbauministerium möchte die Baulandverfügbarkeit durch die Einführung eines neuen § 246e BauGB erhöhen. Es erklärt auf seiner WebSite: “Das BMWSB hat hierzu eine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Formulierungshilfe erarbeitet, die in der 46. Kalenderwoche Gegenstand einer Länder- und Verbändebeteiligung war.

Kern des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines neuen § 246e BauGB. Die Vorschrift dient der Umsetzung des am 25. September 2023 von der Bundesregierung im Rahmen des “Bündnisses bezahlbarer Wohnraum” verabschiedeten Maßnahmenpakets für zusätzliche Investitionen in den Bau von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum und zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft. Als Teil dieses Pakets ist vorgesehen, dass der Bund in Städten und Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten den Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen und hierzu in Anlehnung an § 246 Absatz 14 BauGB eine bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 befristete Sonderregelung schaffen wird. Entsprechendes ist auch im Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern vom 6. November 2023 vorgesehen.

Die vorgeschlagene Regelung findet entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten Anwendung, die nach § 201a BauGB bestimmt sind.

Gegenstand der Abweichung können sein: 

  • die Errichtung eines Wohnzwecken dienenden Gebäudes mit mindestens sechs Wohnungen,
  • die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen werden oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird, oder
  • die Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.

Zur Wahrung der kommunalen Planungshoheit wird wie bei § 31 Absatz 3 nicht nur ein Einvernehmen, sondern eine Zustimmung der Gemeinde gefordert.

Im Außenbereich soll die Neuregelung nur auf Vorhaben Anwendung finden, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die nach § 30 Absatz 1 oder § 34 zu beurteilen sind.”

Die Reaktionen in der Länder- und Verbändebeteiligung (46. Kalenderwoche 2023) waren überwiegend ablehnend. Auf der WebSite des Bundesbauministeriums sind die Stellungnahmen einsehbar. Jenseits hiervon, aber stellvertretend für die Kritik ist der gemeinsame gegen das Gesetzesvorhaben gerichtete Appell von Bundesarchitektenkammer (BAK), dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA), Architects for Future, anderen Umwelt- und Sozialverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft als Lektüre zu empfehlen (bitte anklicken). U.a. wird kritisiert, dass der geplante § 246e BauGB nicht den riesigen Bauüberhang (Differenz zwischen genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen) adressiere, der großes Potenzial für die Schaffung von Wohnraum auf schon genehmigtem Bauland biete. Es wird die Parallele zum § 13b BauGB gezogen, der im Juli 2023 vom Bundesverwaltungsgericht als gegen EU-Recht verstoßend gekippt werden. “Durch die Hintertür” würde nun versucht, eine ähnliche Regelung zu reinstallieren.

Habeck guckt ins Loch: Wieder fehlen 60 Mrd. Euro!

Dirk Löhr

Die Energiewende, so der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin im Jahre 2004, werde den Durchschnittshaushalt umgerechnet nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten. Damals waren dies 50 Cent.

Die Hoffnung der Protagonisten war, dass viele Erneuerbare Energien (EE) mit geringen Grenzkosten arbeiten. Eine zusätzliche Kilowattstunde, die von einem Windkraftwerk erzeugt wird, kostet fast nichts. Ähnliches gilt für Solarstrom.

Das ist allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit. EE-Strom hat eine ganz andere Qualität als der Strom aus grundlastfähiger Erzeugung (Kernkraftwerke, Steinkohlekraftwerke). Manchmal weht der Wind, manchmal scheint die Sonne, manchmal nicht. Im Gegensatz zum Grundlaststrom handelt es sich also um Flatterstrom. Das Gegenargument: Über ein intelligentes Management könnte die Stromnachfrage dem volatilen Angebot an EE-Strom angepasst werden. Beispielsweise könnten Smart Grids feststellen, wann das Angebot hoch ist – dann könnten Kühlschränke und Waschmaschinen laufen oder E-Autos betankt werden. Diese Geräte könnten zudem als Stromspeicher dienen und in Zeiten der Angebotsschwäche Strom ins Netz geben. Bis dorthin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Die betreffende Technik steht nicht zu leistbaren Preisen und flächendeckend zur Verfügung. U.a. ist Lithium knapp. Das Rennen um die bolivianischen Lithiumvorkommen machten Russland und China , die Herrschaft über die Vorkommen in der Ukraine ist angesichts der prekären Lage der ukrainischen Armee ungewiss. Das wichtigere Argument, u.a. von Hans-Werner Sinn immer wieder hervorgebracht ist jedoch, dass weniger die kurzfristigen Angebotsschwankungen Sorge bereiten, sondern die langfristigen, saisonalen. Im Winter kann es Wochen und Monaten der Dunkelflaute geben, Phasen also, in denen weder der Wind weht noch die Sonne scheint. Die Abfederung einer solchen Dunkelflaute über Kohlekraftwerke führte dazu, dass im Oktober und November 2023 die deutsche Stromproduktion eine der dreckigsten in ganz Europa war.

Eine Anpassung der Nachfrage an das schwankende Angebot ist derzeit in umweltverträglicher Weise faktisch nicht machbar. Hier bedürfte es immenser Speicherkapazitäten. Mit der derzeitigen Speicherkapazität könnte ganz Deutschland allerdings gerade einmal eine Stunde lang mit Strom versorgt werden. Technisch denkbare Alternativen sind derzeit ökonomisch nicht tragfähig.

An dieser Stelle geht es nicht ohne mit Gas arbeitenden Backup-Kraftwerke, welche in die Lücke springen müssen. Gaskraftwerke sind klimafreundlicher als Kohlekraftwerke; ggfs. lassen sich sich auch später auf Wasserstoff umrüsten (was auf absehbare Zeit jedoch ebenfalls noch unwirtschaftlich ist). An dieser Stelle könnte viel über die unsinnige Sanktionspolitik gegenüber Russland und andere fehlgeleitete Bereiche der Energiepolitik geredet werden. U.a. wird US-amerikanisches Frackinggas zu enormen Preisen hierzulande verwendet, ohne dass eine Einflussnahme auf die Art und Weise der Förderung besteht (während hierzulande Fracking aus Gründen des Umweltschutzes verboten ist). Das Thema der abgeschalteten AKWs und der hier zurückgenommenen Forschungsförderung kann vorliegend nicht ausgewalzt werden.

Interessant ist nun, dass derzeit der Bedarf an neuen fossilen Backup-Kraftwerken (Gas) bis 2030 auf rd. 50 Stück eingeschätzt wird. Angesichts der erratischen Energiepolitik ist es jedoch kaum wahrscheinlich, dass private Investoren diese Lücke ohne entsprechende Subventionszusagen füllen werden. Eine Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI) für das Handelsblatt zeigt, dass „für den Neubau von Kraftwerken in Deutschland rechnerische Deckungsbeiträge in Höhe von rund 60 Milliarden Euro fehlen“ (so EWI-Experte Philipp Kienscherf).

Neben das durch das Karlsruher Urteil erzeugte 60 Mrd. Euro-Loch tritt nun, schön symmetrisch, also noch ein zweites 60 Mrd. Euro-Loch hinzu. Dies stellt auch den Kohleausstieg bis 2030 noch stärker als bisher infrage. Heute kostet eine Kugel Eis ca. 1,60 Euro. Jeder der ca. 41 Mio. Haushalte Deutschlands müsste bis 2030 monatlich ca. 13 Eiskugeln konsumieren, um allein auf diesen Teilbetrag der Kosten der Energiewende zu kommen.  Wenigstens hält Habecks Politik die Bürger schlank.

Es sind jedoch nicht nur die zeitlichen, sondern auch die regionalen Spitzen, die ausgeglichen werden müssen. Angesichts eines für die Energiewende unzureichend ausgebauten Netzes muss an Engpässen gegebenenfalls auf- und abgeregelt werden. Die vor dem Engpass stillgelegten Kraftwerke bekommen jedoch eine Entschädigung für den Ausfall, und die hinter dem Engpass hochgeregelten Kraftwerke erhalten ebenfalls eine Kompensation für das bloße Stand-by. Allein diese Redispatch-Maßnahmen verschlingen pro Jahr fast drei Mrd. Euro. Ein Marktdesign, das über unterschiedliche Preiszonen (Market Splitting, Nodal Pricing) Anreize für einen “automatischen” Ausgleich gibt und den Subventionsbedarf reduziert, ist derzeit noch nicht in Sicht.

Dies alles beschreibt indessen noch nicht den gesamten Finanzbedarf. Der durch den EE-Flatterstrom notwendige Netzausbau und die erforderliche Netzverstärkung kostet ebenfalls Geld. Dies wird allerdings auf die Netzentgelte umgelegt.

Insgesamt dürfte die Energiewende – wenn sie denn bis 2045 gelingen soll – ungefähr 1,1 Billionen Euro kosten. Dies sind insgesamt ca. 16.700 Kugeln Eis pro Haushalt – oder, gleichmäßig verteilt auf die 252 Monate bis 2045 ca. 66 Eiskugeln zu 1,60 Euro pro Haushalt und Monat.

All die genannten Kosten (Netzausbau und -verstärkung, Reservekraftwerke, Redispatch, Speicher) müssten in einem marktwirtschaftlich funktionierenden System eigentlich dem Verursacher angelastet werden – dies sind die Erneuerbaren Energien. Entgegen dem Märchen von den billigen EE würden diese damit aber aus dem Markt geworfen; sie könnten kostenmäßig nicht mehr konkurrieren. Also werden sie subventioniert. Der bessere Weg, um die relativen Preise zwischen EE und fossilen Energieträgern zu beeinflussen, wäre eine Verteuerung der fossilen Energieträger über ein entsprechend ausgebautes Emissionshandelssystem. Dieses müsste allerdings über ein entsprechendes Klimageld sozial abgefedert werden, wofür nach dem Karlsruher Urteil vom November 2023 jedoch das Geld fehlt. Die Frage, was anstelle des Klimageldes gestrichen bzw. aufgeschoben werden könnte, kann mangels Raum vorliegend nicht behandelt werden. Es ließe sich jedoch auch über Subventionen diskutieren, wenn diese in ihrer Belastungswirkung transparent wären. Tatsächlich findet aber ein intransparentes Subventionsgeflecht statt, das einmal auf Kosten des Staatshaushalts, dann wieder zu Lasten der Verbraucher (mit Unterschieden) geht und z.B. über die Erhöhung der Netzentgelte auch andere Energieträger mittelbar mitbelastet. Von „Kostenwahrheit“ der Klimawende kann somit keine Rede sein. Die Politik des Bundeswirtschaftsministeriums ist chaotisch wie intransparent, eine Planwirtschaft ohne Plan.

Das 60 Mrd. Euro-Loch kommt für das Bundeswirtschaftsministerium genauso überraschend wie der Winter für die Deutsche Bahn AG. Eine erneute Haushaltsnotlage auszurufen, um das Loch an der Schuldenbremse vorbei doch noch zu stopfen, dürfte Karlsruhe nicht mitmachen. Die betreffenden Notlagen beschränken sich auf solche aus externen Einflüssen wie Naturkatastrophen, nicht aber auf intellektuelle Notlagen aufgrund mangelhafter Planung und schlechter Politikkonzeptionen.

Deutschland hat eine der energieintensivsten Wirtschaften auf der ganzen Welt. Ein großer Teil der energieintensiven Wirtschaft hält sich angesichts der derzeitigen Politik und der von ihr gesetzten Rahmenbedingungen mit Ersatzinvestitionen zurück und verlagert Neuinvestitionen in andere Teile der Welt.

Ohne eine leistungsfähige Wirtschaft wird Deutschland auch politisch bedeutungslos. Dennoch wird Deutschland mit seiner Energiepolitik ein Vorbild sein – es zeigt, wie man es auf keinen Fall machen sollte.

Grundsteuer C: Eine neue Missgeburt?

Dirk Löhr

Ab 2025 können Gemeinden unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem erhöhten Steuersatz belegen, um Druck auf die Bebauung der betreffenden Flächen auszuüben. Nur in Bayern wird diese neue Grundsteuer C nicht eingeführt.

Das Ziel der Grundsteuer C ist durchaus nachvollziehbar. Ein Grundstück kann als eine sog. Realoption angesehen werden, die das Recht, aber nicht die Pflicht vermittelt, das Grundstück zu bebauen. Man bezahlt also nicht nur für zukünftige Bodenerträge, sondern auch für den Wert des “Warten Könnens”. Letzterer ist eine “spekulative Komponente”. Bei hohen Aufwertungserwartungen kann es sogar passieren, dass sich dieser Wert des “Warten Könnens” in den Vordergrund schiebt. Im Falle einer Bebauung ginge der Wert des “Warten Könnens” aber verloren; die Bebauung ergibt jedoch keinen Sinn, soweit die künftigen durch die Bebauung erzielbaren Erträge nicht den Wert des “Warten Könnens” überkompensieren. Die Grundsteuer C zielt nun konkret darauf ab, den Wert des “Warten Könnens” so weit zu reduzieren, dass er keine Hürde für die Bebauung mehr darstellen kann.

Skepsis ist dennoch angebracht: Das historische Vorbild der Baulandsteuer (1961/1962) gilt als gescheitert. Generell ist es keine gute Idee, mehrere Ziele (hier: fiskalische und bodenpolitische) mit nur einem Instrument (hier: Grundsteuer C) erreichen zu wollen. Jan Tinbergen (erster Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaften) hat deutlich gemacht, dass die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, alle Ziele mehr oder weniger zu verfehlen. Die “Tinbergen-Regel” als fundamentale Einsatzregel für wirtschaftspolitische Instrumente wird in der Politik allerdings hartnäckig ignoriert.

Die Zonierung für den Geltungsbereich der Grundsteuer C sowie der anzulegende Steuersatz sind im Rahmen der neuen Grundsteuer C grundsätzlich Sache der Kommunen. Viele Städte haben im Vorfeld der Einführung der Grundsteuer C schon Arbeitsgruppen gebildet. Zwei Problemfelder stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Welche Grundstücke dürfen überhaupt mit der Grundsteuer C belegt werden?
  • Wie hoch muss der Steuersatz sein, damit die gewünschte Mobilisierungswirkung entsteht?

Besonders die zweite Frage erscheint schwierig zu lösen. Für “Spekulanten” interessant sind die Grundstücke mit großen Aufwertungspotenzialen. Doch wie lassen sich diese identifizieren, und mit welchen Verfahren lassen sich die Aufwertungspotenziale ermitteln? Orientiert man sich beispielsweise beim Steuersatz an den Bodenzuwächsen der Vergangenheit, so ist keinesfalls klar, dass diese Bodenwertsteigerungen auch in Zukunft stattfinden werden. Zudem muss der Steuersatz für die Grundsteuer C in jeder Kommune einheitlich festgelegt werden. Hält man sich dabei an durchschnittliche Wertsteigerungen in der Stadt, so würden gerade die interessanten Schlüsselgrundstücke mit überdurchschnittlichem Aufwertungspotenzial nicht adäquat erfasst. Hält man sich an die Grundstücke mit dem höchsten Aufwertungspotenzial, ergibt sich eine Übersteuerung bei den Grundstücken mit geringerem Aufwertungspotenzial. Hier gibt es rechtliche Bedenken bezüglich des Übermaßverbots und des Allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach wirtschaftlich gleiche Sachverhalte gleich und wirtschaftlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu beurteilen sind.

Die Grundsteuer C ist dann erfolgreich, wenn es ihr gelingt, alle ihr unterliegenden Grundstücke zu mobilisieren – und in der Folge die Einnahmen aus der Grundsteuer C versiegen. Handelt es sich bei der Grundsteuer C also um eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer?

Der unten auszugsweise für den Download bereitgestellte Beitrag aus dem Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2-2023 versucht, die gestellten Fragen zu beantworten und auf Auswege aus den skizzierten Dilemmata zu weisen, soweit dies überhaupt möglich ist:

Christian Rieck über die EU-Gebäuderichtlinie

Dirk Löhr

Explodierende Baukosten, gestiegene Zinsen, Fachkräftemangel – und dann auch noch die ambitionierten Energiestandards: Gebäudeinvestoren werden erdrosselt, die im Koalitionsvertrag angestrebten 400.000 Neubauwohnungen rücken in weite Ferne. Dies haben auch Kanzler Scholz, Bundesbauministerin Geywitz und auch Wirtschaftsminister Habeck erkannt. In ihrem 14-Punkte-Plan rudern sie von dem einst ambitionierten Vorhaben des Energiestandards EH 40 zurück bzw. legen diesen einstweilen auf Eis. Gut so. Noch besser: Der eigentliche Hammer, die EU-Gebäuderichtlinie, stößt mittlerweile in der Bundesregierung auf Ablehnung. Noch besser. Was nämlich drohen könnte, wenn die EU-Kommission ihr Vorhaben durchsetzt, beschreibt eindringlich Christian Rieck in einem sehenswerten Youtube-Beitrag: https://www.youtube.com/watch?v=nTNzYpr-jTo

Wohnungsbaugipfel in Berlin: Kurs stimmt, aber massiver Gegenwind

Dirk Löhr

Die Bundesregierung hatte die Interessenverbände der Bauwirtschaft zu einem Gipfel eingeladen. Von den 400.000 Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden sollten (darunter 100.000 Sozialwohnungen) ist man meilenweit entfernt. Vielleicht werden es im folgenden Jahr 170.000, vielleicht auch weniger. Die Bundesregierung verkündete im Rahmen des Baugipfels nun 14 Maßnahmen – teilweise waren diese schon bekannt, teilweise handelt es sich um Absichtserklärungen. So werden beispielsweise die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro angehoben. Die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsgünstiges Darlehen beantragt werden kann, soll von 60.000 Euro auf 90.000 Euro angehoben werden. Der Energiestandard EH 40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard soll während der laufenden Legislaturperiode ausgesetzt werden. Hier musste wohl Wirtschaftsminister Habeck einen gehörigen Sprung über seinen eigenen Schatten machen. Aber immerhin. Und Bundesbauministerin Geywitz wendet sich gegen die EU-Pläne zur Gebäudesanierung. Damit wurde das Petitum im Bogbeitrag “Teilenteignung durch EU-Gebäuderichtlinie: Wenn der Wahnsinn zur Methode wird” erhört. Kompliment an die Bundesbauministerin an dieser Stelle. Weiter können Wohnungsbauten künftig mit dem erhöhten Satz von 6 % und degressiv abgeschrieben werden. Allesamt handelt es sich um Maßnahmen, die in die richtige Richtung weisen.

Allerdings drängt die Zeit: Trotz sinkender Immobilienpreise steigen v.a. in den Großstädten die Mieten – eine Wende bezüglich der Einwanderungspolitik ist zwar in der Diskussion, aber noch nicht beschlossen. Der stärkste Gegenwind besteht in Gestalt der Zinswende. Die Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft beträgt gegenwärtig nur rd. 70%; müssen Unternehmen aufgeben, wandern die Fachkräfte in andere Bereiche ab. Bröckelnde Kapazitäten machen die wohnungsbaupolitischen Ziele aber in Zukunft noch schwerer erreichbar. Dennoch wäre es nicht richtig gewesen, die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit einem “Sondervermögen” von 50 Mrd. Euro einfach wegzusubventionieren, wie die Branche forderte. Dies hätte nichts an den strukturellen Problemen (Energiewende, Bürokratie etc.) geändert, sondern statt dessen vermutlich zu einem Preisauftrieb im Bausektor geführt und die Politik der EZB konterkariert.

Bei aller Zustimmung zu den beschlossenen Maßnahmen kann man dennoch die Frage aufwerfen, ob “bauen, bauen, bauen” allein zureichend ist. Deutschland hat viel Wohnraumreserven – diese sind aber falsch alloziiert. Ein Thema für einen weiteren Beitrag.

Foto: Bundesbauministerin Geywitz – Bundesregierung

Thüringer Landtag beschließt Absenkung der Grunderwerbsteuer

Dirk Löhr

Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche eine Senkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5,0 Prozent beschlossen. Das Gesetz wurde von den Oppositionsparteien CDU und FDP in den Landtag eingebracht und auch mit den Stimmen der AFD gegen den Willen der Landesregierung verabschiedet. Die Gegenfinanzierung ist unklar bzw. umstritten. Nachfolgend geht es um eine sachliche, und nicht um eine politische Bewertung der Maßnahmen (Stichwort: Fall der “Brandmauer” gegen die AFD).

Die Grunderwerbsteuer erhöht die Nebenkosten des Erwerbs von Grundstücken. Das Grunderwerbsteuergesetz ist ein Bundesgesetz; der Steuersatz wird jedoch seit der Finanzreform 2006 von den Ländern festgelegt. Er reicht derzeit von 3,5% (Bayern) bis 6,5% (Brandenburg, NRW, Saarland, Schleswig-Holstein und bislang auch Thüringen). Dabei haben die ärmeren Länder tendenziell höhere Steuersätze, was deren Wettbewerbsfähigkeit nicht gerade stärkt. Bei einer Immobilie mit einem Wert von 300.000 Euro langt ein Land mit einem Steuersatz von 6,5% mit bis zu 19.500 Euro zu. Dies erschwert nicht zuletzt die Eigentumsbildung für Haushalte mit wenig Eigenkapital.

Wie sind die Maßnahmen des Thüringer Landtags einzuordnen? Grundsätzlich stehen sich bezüglich der Grunderwerbsteuer zwei politische Grundsatzpositionen gegenüber:

1) Im linken Lager möchte man die Grunderwerbsteuer noch weiter stärken und dabei v.a. “Share deals” noch stärker mit einbeziehen. Da man statt Grundstücken auch Anteile an Unternehmen mit Grundstückseigentum kaufen kann, existieren im Grunderwerbsteuergesetz Schwellenwerte, ab denen auch der Anteilserwerb der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese sollen nach Meinung der Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer noch weiter abgesenkt werden. Allerdings werden Share deals nicht nur aus Gründen der Steuerumgehung gemacht; sie können z.B. auch durch wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen motiviert sein. Die Befürworter einer stärkeren Grunderwerbsteuer denken auch z.T. an noch höhere Steuersätze, um Grundstücksspekulation zu erschweren – eine Art „Tobin Tax“ auf Immobilien . Schützenhilfe für diese Position kommt von unerwarteter Seite: Forscher des ifo-Instituts kamen zu dem Ergebnis, dass die Grunderwerbsteuer vor allem zu Lasten der Verkäufer geht. M.E. ist dies für angespannte Märkte plausibel, da hier das Bodenangebot hoch preisunelastisch ist. Bei weniger angespannten Märkten dürfte die Überwälzung leichter sein. Dies ist auch mit den Befunden der Studie kompatibel, die allerdings ein wenig anders argumentiert.

2) Das liberale und konservative Lager plädiert zumeist für eine Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes bundesweit auf die ehemaligen 3,5% (vor 2006). Die nun erreichten 5% in Thüringen sind insoweit nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine einheitliche bundesweite Rückführung des Steuersatzes klingt zunächst einfach, ist aber dennoch problematisch: Weil die Grunderwerbsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen der Länder ist, werden diese kaum einer solchen Absenkung zustimmen. Dies erst recht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer de facto nicht in den Länderfinanzausgleich eingeht. Ebenso gegen den Strich dürfte den Ländern gehen, wenn die Festlegung des Grunderwerbsteuersatzes wieder per Bundesgesetz geregelt wird. Es bedürfte u.a. einer Änderung der Finanzverfassung. Im Falle einer generellen Absenkung hätte man allerdings auch weniger Probleme mit Umgehungen via Share deals, da sich diese kaum noch lohnen. Außerdem wäre der Immobilienmarkt liquider, da Transaktionskosten wegfallen.

Auch radikalere Vorschläge sind in der Diskussion, allerdings so gut wie ohne Umsetzungschance. So wäre eine weitere, bislang kaum diskutierte Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer abzuschaffen und statt dessen Grundstücksverkäufe in die Umsatzsteuer zu integrieren (evt. mit einem eigenständigen Steuersatz). Die Länder wären dann stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen, damit es zu keinen Einnahmeausfällen kommt. Diese werden jedoch auch von diesem Vorschlag nicht begeistert sein, da auch hier ein Stück Autonomie gegenüber dem Status Quo verloren geht. Außerdem wäre zu prüfen, ob die Mehrwertsteuersystemrichtlinie angepasst werden müsste, was als europäisches Recht nur unter Zustimmung aller Mitgliedstaaten geschehen könnte.

Alle genannten Optionen der Weiterentwicklung der Grunderwerbsteuer liegen maßgeblich in der Hand des Bundes, weniger bei den Ländern. Es bleibt somit festzuhalten: Einerseits sind nach den Ergebnissen der o.a. ifo-Studie die negativen Verteilungswirkungen der Grunderwerbsteuer beschränkt, was Dramatik aus der Diskussion nehmen sollte. Andererseits kann man durchaus noch die Frage stellen, ob eine weitere Stärkung der Grunderwerbsteuer in Richtung auf eine „Tobin-Steuer auf Immobilien“ Sinn ergibt. Die Quelle der Grundstücksspekulation ist das private Eigentum an Grund und Boden, das dem Boden den Charakter einer Realoption verleiht. Dabei geht es einerseits um den „Zeitwert der Option“, also den spekulativen „Wert des Warten-Könnens“. Andererseits geht es um den inneren Wert der Option, also die (abdiskontierten) Bodenrenten. Beides kann an der Quelle durch eine entsprechend starke Bodenwertsteuer bekämpft werden; eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dagegen eine Symptomkur.

Unabhängig davon, wie man den politischen Prozess im Thüringer Landtag bewerten mag: Der Beschluss einer Rückführung des Grunderwerbsteuersatzes ist vor diesem Hintergrund tendenziell sinnvoll und eine der Maßnahmen, bei denen die Bundesländer ohne den Bund schon voranschreiten können. Andere Bundesländer sollten sich ein Beispiel an Thüringen nehmen. Allerdings fährt der Zug eher in die andere Richtung: Zum 1. Januar 2023 hat Hamburg die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent und Sachsen von 3,5 auf 5,5 Prozent erhöht.

Unabhängig von der Diskussion um den Steuersatz sind die Bestrebungen zu sehen, die Grunderwerbsteuer gerade von privaten Immobilienerwerbern zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Inzidenzuntersuchungen der o.a. ifo-Studie erscheint dies vordergründig v.a. in ländlichen Regionen sinnvoll. Gerade hier könnten entsprechende Maßnahmen jedoch zu einem Mehr an Zersiedelung führen – v.a. durch Einfamilienhäuser. Allerdings steht nun einmal im Ampel-Koalitionsvertrag die Absicht, hier den Ländern die Möglichkeit zu geben, einen Freibetrag einzuführen, um den Immobilienerwerb zu erleichtern. Es gibt allerdings noch weitere Vorschläge. Neben dem Ersatz der Grunderwerbsteuer durch eine ausgeweitete Umsatzsteuer (s. oben) könnte niedrigschwelliger auch ein Vorsteuerabzug nach dem Vorbild der Umsatzsteuer eingeführt werden. Hierdurch könnte eine Kumulation der Steuer bei mehreren Verkäufen hintereinander durch den Vorsteuerabzug ggfs. vermieden und die Immobilie durch Bauträger somit billiger an den Enderwerber abgegeben werden. Für eine eingehende Bewertung all dieser Vorschläge fehlt hier der Raum.

Zumal die Einführung eines Freibetrages für Ersterwerber Bundessache wäre, umgeht Thüringen die Bundeszuständigkeit mit einem interessanten Sonderweg: De facto führt es im Alleingang einen Freibetrag für selbst genutztes Wohneigentum ein. Technisch erfolgt dies durch einen Zuschuss: Diesen soll erhalten, wer erstmals eine Wohnimmobilie erwirbt, um sie selbst zu nutzen. Dafür sieht das Gesetz allerdings einen Höchstbetrag vor. Für den Erwerb von Wohnimmobilien bis zu einem Wert von 500.000 Euro entspricht der Zuschuss der vollen Höhe der angefallenen und bezahlten Grunderwerbsteuer. Dem Gesetz zufolge wird der Wert anhand der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer bestimmt. Auf Erwerbskosten, die diesen Wert übersteigen, ist Grunderwerbsteuer zu entrichten.

Zu bedenken sind hier allerdings wieder die Inzidenzen: Es ist keineswegs sicher, dass der Zuschuss auch beim Erwerber ankommt, oder nicht vielmehr in Form höherer Kaufpreisforderungen wenigstens teilweise zugunsten der Verkäuferseite kapitalisiert wird.

Unabhängig davon, für wie sinnvoll man die beiden Beschlusskomponenten “Absenkung des Steuersatzes” und “Zuschuss” halten mag: Thüringen hat jedenfalls die Möglichkeiten auf Länderebene mit dem Parlamentsbeschluss maximal ausgereizt. Das Thema „Grunderwerbsteuer“ ist zudem durch den Beschluss des Thüringer Landtages wieder in Bewegung geraten.

Teilenteignung durch EU-Gebäuderichtlinie: Wenn der Wahnsinn zur Methode wird

Dirk Löhr

Man kann sich ja darüber streiten, ob eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz Seitens Deutschlands und/oder der EU klug ist – oder ob wir am Ende nicht damit der Welt demonstrieren, wie Klimaschutz besser nicht gemacht werden soll. Tatsache ist, dass der Bürger ziemlich gefordert wird.

Zuerst das umstrittene, aber am Ende entschärfte Gebäudeenergiegesetz, das am Freitag von Bundestag verabschiedet wurde. Dann bald die Überführung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in ein eigens für Gebäude und Verkehr neu geschaffenes Segment des Europäischen Emissionshandels (EU ETS 2). Die größte Sau wurde indessen noch nicht medial durch’s Dorf gejagt, wenngleich die ersten Medien schon vor dem drohende Unwetter warnen: Brüssel arbeitet an einer neuen EU-Richtlinie zur Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz (nachfolgend: „Gebäuderichtlinie“). Die Richtlinie ist Teil des EU-Klimapaketes „Fit for 55“. Hiermit sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 gesenkt werden. In technischer Hinsicht wurden Regeln zur Einordnung der verschiedenen Gebäude in Effizienzklassen geschaffen. Im Sinne des Erfinders sollen diese zwar einheitlich sein – allein, dem saarländischen Schornsteinfegermeister fehlt der Glaube daran, wenn er über die französische Grenze blickt. Die Energieeffizienzklassen reichen von A+ bis G. In Deutschland befinden sich derzeit 42% der Wohnimmobilien in den schlechtesten Energieeffizienzklassen E bis H. Bis 2030 sollen allerdings alle Wohngebäude mindestens die Energieeffizienzklasse E und bis 2033 zumindest die Energieklasse D erfüllen. Hierzu müssen die Eigentümer einen Plan vorlegen und entsprechende Sanierungsmaßnahmen ergreifen.

Eine überschlägige Berechnung (dargestellt in Anhang 1) ergibt, dass die Sanierungsaufwendungen für die betroffenen 42% der Wohngebäude ungefähr genauso hoch sind wie deren gegenwärtiger Wert – etwa 2 Billionen Euro. Dabei sind Nicht-Wohngebäude, die ja ebenfalls noch saniert werden müssen (wenn auch in geringerem Tempo – der Staat nimmt die Anforderungen für sich selbst herunter!) nicht eingerechnet.

Pessimisten würden hier von einem wirtschaftlichen Totalschaden für die betroffenen Eigentümer sprechen; die Befürworter der energetischen Sanierung setzen entgegen, dass die Energierechnung geringer ausfallen wird. Dies würde dazu führen, dass der Gebäudewert erhalten bleibt. Schließlich könne ein Vermieter aufgrund der geringeren Mietnebenkosten ja eine entsprechend höhere Kaltmiete einfordern; für selbstgenutztes Wohneigentum gelten ähnliche Überlegungen hinsichtlich der kalkulatorischen Mieten. Wer hat nun Recht?

Wir wollen einmal davon absehen, dass angesichts der Marktverhältnisse in peripheren Regionen die Durchsetzung höherer Mieten infolge geringerer Nebenkosten allenfalls nur teilweise möglich ist. In der in Anhang 2 dargestellten Überschlagsrechnung unterstellen wir jedoch kontrafaktisch die volle Durchsetzbarkeit. Die Berechnung ergibt dennoch, dass dann nur die Hälfte der Sanierungsinvestitionen i.H.v. 2 Billionen Euro werthaltig sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Wert von 42% der Wohnimmobilien halbiert wird.

Eine bessere Wahlkampfhilfe für die hiesige AfD könnte sich die Brüsseler Blase nicht einfallen lassen. Die Gesellschaft würde noch mehr gespalten, als sie es ohnehin schon ist. Betroffen sind nicht zuletzt ältere Menschen, die kaum mehr an einen Kredit kommen. Und betroffen sind v.a. die peripheren Regionen. Arm und Reich, Jung und Alt, Land und Stadt würden aufeinander losgehen, wenn die Pläne aus Brüssel Realität würden. Die Eigentümer der ärmeren Gebäude werden allerdings eine solche de facto-Teilenteignung nicht unwidersprochen hinnehmen. Die Mieter werden die Mieterhöhungen, die eigentlich erforderlich sind, nicht aufbringen können. Die Gebäuderichtlinie ist, wie sie derzeit angelegt ist, nicht nur unintelligent, sondern auch gesellschaftspolitisch gefährlich.

Der klügere Weg wäre, das immer noch überkomplexe deutsche Gebäudeenergiegesetz und auch die Gebäuderichtlinie einzustampfen bzw. gar nicht erst in die Welt zu setzen. Stattdessen sollte der CO2-Handel des EU ETS 2 in die Rolle des Leitinstruments gesetzt werden. Der CO2-Handel hat den Vorteil, dass er es den Gebäudeeigentümern überlässt, wie hoch die Sanierungsaufwendungen ausfallen sollen – oder ob es angesichts der kurzen Restnutzungsdauer eines Gebäudes nicht sinnvoller ist, das Meiste beim Alten zu belassen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass das Verbrennen von Geld auch mit einem aus ökologischer Sicht ineffizienten Ressourcenverbrauch einher geht. Und: Im Gegensatz zu den wenig kontrollierbaren Konsequenzen des geplanten Bürokratie-Kuddelmuddels steht der maximal mögliche Emissionsausstoß fest – höchste ökologische Zielgenauigkeit.

Bei der Weiterentwicklung des Emissionshandel sollte das EU ETS 2 mit dem EU ETS 1 verschnitten werden. Die bottom up-Regel des EU ETS 2, dass die Emissionen bereits mit einem Zertifikat belegt werden, wenn sie in den Verkehr gebracht werden, sollte verallgemeinert werden. Dann könnten beispielsweise auch Baustoffe miterfasst werden. Die Zertifikate sollten generell verkauft (wie für das EU ETS 2 vorgesehen), und nicht verschenkt werden. Die Erlöse sollten an die Bürger zu gleichen Teilen zurück verteilt werden; alle Bürger sind zu gleichen Teilen Berechtigte an der Atmosphäre. Da Einkommensschwächere einen geringeren CO2-Fußabdruck als „Reiche“ haben, wäre dies ein wesentlicher Beitrag zur sozialen Kompensation und auch zur Klimagerechtigkeit (s. auch: Blogbeitrag “Klimagerechtigkeit und Klimageld: Keine halben Sachen!“). Der gegenwärtige Transformations- und Klimafonds, aus dem alle möglichen öffentlichen Aufgaben finanziert werden, ist insoweit eine Fehlkonstruktion. Hoffnung macht Bundesbauministerin Geywitz, die das Problem offenbar erkannt hat und sich bezüglich der EU-Gebäuderichtlinie quer stellt.

Anhang 1: Überschlägige Berechnung der Sanierungskosten für die betroffenen Wohnimmobilien

Die Wohngebäude (ohne Grund und Boden) dürften in Deutschland in etwa 7 Billionen Euro wert sein. 42% hier von wären ca. 3 Billionen Euro; allerdings handelt es sich bei den Gebäuden der Energieklasse E bis H zumeist um unterdurchschnittlich werthaltige, oft in ländlichen Regionen belegene Gebäude. Geben wir den betreffenden Gebäuden also einen überschlägigen Wert von vielleicht 2 Billionen Euro. Nun gehen wir von einer (überdurchschnittlichen) Wohnfläche von ca. 160 qm (auf dem Land wird großzügiger gebaut, da die Bodenpreise geringer sind) und von konservativ angesetzten Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm aus (1.500 Euro/qm dürften realistischer sein). Die gesamte Wohnfläche beträgt in Deutschland 3,87 Milliarden Quadratmeter. Weil aber die durchschnittliche Wohnfläche auf dem Land eben größer als in der Stadt ist, muss diese grob adjustiert werden. Hierfür nehmen näherungsweise einmal den Faktor 160/130, angelehnt an die Flächenrelation Land-Durchschnitt bei Einfamilienhäusern. Die Multiplikation der Sanierungskosten von 1.000 Euro/qm mit 42% von 3,87 Milliarden Quadratmetern, gewichtet mit dem o.a. Anpassungsfaktor ergibt ziemlich genau 2 Billionen Euro, also den gegenwärtigen Wert der betreffenden Immobilien.

Anhang 2: Werthaltigkeit der Sanierungsinvestitionen für die betroffenen Wohnimmobilien

Nehmen wir an, dass durch den Übergang von Energieklasse H zu D ungefähr 36 Euro/qm Energie gespart werden können. Es werden wieder Sanierungskosten von ca. 1.000 Euro/qm hierfür zugrunde gelegt. Um sauber zu rechnen, müssen die Ersparnisse an Energiekosten abgezinst werden. Hierfür legen wir 3,5% zugrunde – ein Wert, der sich an den Liegenschaftszinssätzen in eher peripheren Regionen orientiert. Es muss beachtet werden, dass gerade auch in ländlichen Regionen die meisten schlecht sanierten Immobilien schon viele Jahre auf dem Buckel haben. Gehen wir von durchschnittlichen 80 Jahren wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauer und 20 Jahren Restnutzungsdauer aus, so beträgt nach 20 Jahren (dem Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer) der Kapitalwert der Investitionsmaßnahmen ca. -500 Euro /qm. Für die gesamten 42% betroffenen Wohngebäude bedeutet dies einen negativen Kapitalwert von einer Billionen Euro.  

Klimagerechtigkeit und Klimageld: Keine halben Sachen!

Dirk Löhr

Zur Begrenzung der CO2-Emissionen soll der CO2-Handel perspektivisch ausgeweitet werden. Das Brennstoffhandelsgesetz soll in ein weiteres Handelssegment überführt werden, dass auch die Bereiche Verkehr und Wärme (Gebäude) enthält (sog. EU ETS 2). Im Gegensatz zum schon bestehenden Emissionshandel (EU ETS 1) handelt es sich hierbei um ein „bottom up-System“ – d.h. die potentielle Emission muss schon dann mit einem Zertifikat unterlegt werden, wenn der Kohlenstoff in den Verkehr gebracht wird. Hierdurch ist das EU ETS 2 zugleich weitgreifender und (hoffentlich) unbürokratischer als das EU ETS 1. Baustoffe u.ä. werden allerdings noch nicht vom EU ETS 2 umfasst.

Der Sinn solcher ökonomischen Instrumente des Umweltschutzes ist letztlich die relative Verteuerung umweltschädlicher Produkte (mit hohen CO2-Emissionen). Der Konsument als letztlicher Verursacher soll belastet werden.

Was allokativ sinnvoll ist, kann sich allerdings zu einem verteilungspolitischen Problem auswachsen: Einkommensschwache Haushalte haben typischerweise eine deutliche höhere Konsumquote (Anteil des Konsums am Haushaltseinkommen) als einkommensstarke und werden daher von den betreffenden Regelungen besonders stark getroffen.

Zur sozialen Kompensation hat sich daher die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag auf ein sog. Klimageld verständigt. Im Kabinett ist v.a. Bundeswirtschafts- und Klimaminister Habeck der Anwalt dieses Vorhabens. Beim Klimageld geht es um eine Rückverteilung der Einnahmen, die durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten und der Verteuerung fossiler Energien durch anderweitige Abgaben der öffentlichen Hand zufließen („atmosphärische Renten“). Die Rückverteilung soll pro Kopf in gleichen Teilen zufließen. Dies lässt sich mit dem Gedanken der „Klimagerechtigkeit“ begründen, denn jedem Bürger steht ein gleicher Anteil an der Atmosphäre zu. Würden die gesamten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Bürger in gleichen Teilen zurück verteilt, ergäben sich folgende Effekte:

  • Nimmt ein Bürger mehr “atmosphärische Lagerfläche” als der Durchschnitt seiner Landsleute in Anspruch, zahlt er über die Produktpreise mehr Umweltabgaben als diese, bekommt aber nur ein durchschnittliches Aufkommen zurück. Per Saldo zahlt er drauf.
  • Liegt ein Bürger mit seinem CO2-Ausstoß im Durchschnitt, zahlt er so viel an den Staat, wie er wieder zurückbekommt.
  • Ist der Umweltverbrauch eines Bürgers geringer als der Durchschnitt, bekommt er mehr zurück, als er an Umweltabgaben gezahlt hat. Er profitiert.

Würden die gesamten Einnahmen aus der „künstlichen“ Verteuerung der Nutzung fossiler Energieträger an die Bürger in gleichen Teilen zurückgegeben, wäre die durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre durch CO2-Einlagerungen frei. Einen positiven Zahlungssaldo haben aufgrund ihres höheren CO2-Fußabdrucks tendenziell einkommensschwächere Haushalte, einen negativen Zahlungssaldo eher einkommensstarke.

Die gesamthafte Rückverteilung der Einnahmen würde die einkommensneutrale durchschnittliche Nutzung der Atmosphäre auch dann absichern, wenn sich die Zertifikate im Zuge einer strengeren CO2-Kappung verteuern. Denn dann steigt auch die Ausschüttung an die Bürger. Die Akzeptanz einer rigideren Klimapolitik durch die Bürger würde erhöht, was für die demokratische Durchsetzung von immenser Bedeutung ist. Zumindest die älteren Grünen-Mitglieder dürften den Magdeburger Parteitag nicht vergessen haben, auf dem eine Verteuerung des Liter Benzins auf 5 DM gefordert wurde. Während die Umweltwissenschaftler Beifall zollten, watschte der Wähler die Grünen in den darauffolgenden Landtagswahlen ab.

Bei aller Sinnhaftigkeit der Rückverteilungsidee gibt es jedoch auch Einwendungen. Diese beziehen sich zunächst darauf, dass eine Politik der CO2-Einsparung auf nationalem, sogar europäischem Niveau nur beschränkt sinnvoll sein kann (Sinn 2022). Dieser Einwand bezieht sich jedoch auf die Sinnhaftigkeit einer nationalen Vorreiterrolle und hat nicht direkt etwas mit dem Rückverteilungsgedanken zu tun, der auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene zur Anwendung gelangen kann.

Ein technischer Einwand ist, dass eine Rückverteilung an die Bürger derzeit gar nicht möglich ist, weil der Staat die betreffenden Daten der Bürger nicht kennt – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit für einen sich als „entwickelt“ verstehenden Staat. Ein Weg, mit diesem Problem umzugehen wäre die Aufforderung, dass sich jeder Bürger, der das Geld in Anspruch nehmen will, mit seinem Ausweis online registrieren soll. Es bestehen auch andere Wege – das Problem ist also lösbar.

Die größte Herausforderung ist aber, dass ein Euro auch durch den Staat nur einmal ausgegeben werden kann. Nach derzeitigem Stand sollen eben nicht die gesamten Einnahmen an die Bürger zurückgegeben werden, wie in den obigen Überlegungen postuliert. Tatsächlich fließen die atmosphärischen Renten in den Klima- und Transformationsfonds (KMTF), aus dem neben der Rückverteilung auch und vor allem andere Dinge finanziert werden sollen. Mit anderen Worten wird die Grundidee der gleichen Partizipation an den atmosphärischen Renten nur teilweise verwirklicht – ein beträchtlicher Teil der Einnahmen finanziert stattdessen originär staatliche Aufgaben. Damit wird aber die Idee der Rückverteilung der atmosphärischen Renten an die Bürger korrumpiert. Diese beruht auf dem gleichen Recht aller Bürger an der Atmosphäre – der Staat als “Mitesser” ist in der Gleichung nicht vorgesehen.

Es muss daher gefragt werden,

a. ob die weiteren Ausgaben aus dem Klima- und Transformationsfonds überhaupt notwendig wären, wenn die Grundidee des CO2-Handels als Leitinstrument und der vollständigen Rückverteilung der Einnahmen konsequent durchgezogen würde. Für das das Bedarfsfeld Wohnen würde dies in überschlägiger Rechnung bedeuten: Derzeit werden hier ca. 200 Mio t CO2 pro Jahr emittiert. Die CO2-Bepreisung ist derzeit noch viel zu tief, um die gewünschte Lenkungswirkung zu entfalten. Hier müsste man eher auf ein Niveau von ca. 100 €/t CO2 und später höher gehen. Dies würde zunächst pro Kopf der Bevölkerung einer Belastung von mindestens 240 € pro Jahr entsprechen, die auch bei einer konsequenten Durchsetzung des o.a. Regimes wieder zurück verteilt würde. Für eine dreiköpfige Familie wären dies mindestens 720 Euro/Jahr. Setzen wird einmal 35% staatliche Förderung bei der Umstellung auf eine Erdwärmepumpe mit Anschaffungskosten von 20.000 Euro dagegen, ergibt sich einmalig ein aus dem KMTF ausgezahlter Förderbetrag von 7.000 Euro. Sofern keine weiteren Arbeiten auszuführen sind (Austausch von Heizkörpern etc.), wäre dieser Förderbetrag nach 10 Jahren Rückverteilung auch erreicht. Rechnet man noch die energetischen Ersparnisse gegenüber der alten Technologie für den Haushalt ein, verkürzt sich die betreffende Zeitspanne entsprechend. Am Ende stünde der Transformationshaushalt auf der Gewinnerseite des Rückverteilungsregimes. Im Übrigen könnte die Wahl der Technologie vollkommen den Haushalten überlassen und auf einen abschließend formulierten Förderkatalog verzichtet werden – dies wäre ein Beitrag zur Technologieoffenheit. Auch die EU-Gebäuderichtlinie wäre überflüssig – ein weiterer “sozialer Hammer”, der in seiner Tragweite noch gar nicht medial aufgegriffen wurde. Würden die Auszahlungen an die Bürger verlässlich (aus einem Parafiskus ohne Zugriffsmöglichkeit der Politik) ausgestaltet, wäre sogar denkbar, dass die künftigen Einnahmen aus dem Klimageld bei einem Einbau auf Kredit der Bank abgetreten würden (zus. zu einer Kreditversicherung).

b. Genauso wenig ist einzusehen, dass originäre Aufgaben der öffentlichen Hand aus dem KMTF finanziert werden, wenn die Idee der Klimagerechtigkeit ernst genommen wird. Ein Beispiel ist die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG (DB AG). Die DB AG ist derzeit defizitär, qualitativ untragbar und für den Nutzer sehr teuer (zumindest im Fernverkehr). Ein Beispiel dafür, dass eine Bahn hochprofitabel, qualitativ hervorragend und gleichzeitig preiswert sein kann, ist die Mass Transit Railways in Hong Kong, die auf einer einzelwirtschaftlichen Anwendung des Henry George-Prinzips basiert. Ich habe an verschiedenen Stellen hierüber berichtet.

Bei aller Kritik weist die Idee des Klimageldes aber in die richtige Richtung. Es ist Robert Habeck zu wünschen, dass er sich in diesem Punkt durchsetzen kann – zumal die Idee auch im wohlverstandenen Interesse seiner Koalitionspartner ist.

Titelfoto: Wikimedia Commons | Ersteller und Urheberrecht: Stephan Roehl | CC BY SA 4.0