Dirk Löhr
Während die Reallöhne trotz aktuellem Wirtschaftsaufschwung seit der Wiedervereinigung immer noch mehr oder weniger auf der Stelle treten, während die große Koalition bislang noch keines ihrer großen Vorhaben auf die Schiene gebracht hat, passierte eine Sache in Windeseile die politischen Schleusen: Die selbst genehmigte Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten. In zwei Schritten sollen die Diäten um je 415 Euro auf das Gehalt eines Bundesrichters von 9082 Euro steigen. Danach soll es automatische Erhöhungen geben. Von 2016 an sollen die Diäten dann an die Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt werden. Die Regelungen folgen den Empfehlungen einer Kommission des Ältestenrates des Parlaments.
Klartext: Ein Abgeordneter, der seinen Job ernst nimmt, hat keinen 8-Stunden-Tag. Und er hat Verantwortung. Ein Abgeordneter, der seinen Job ernst nimmt, hat auch keine Zeit für einen lukrativen Nebenverdienst, es sei denn, nicht seine Leistung wird bezahlt, sondern etwas anderes.
Vor diesem Hintergrund sollte man sich den Grund für die Orientierung der Bezüge der Abgeordneten an denen der Bundesrichter in Erinnerung rufen: Unabhängigkeit, Immunität gegen Bestechungsversuche. Bundesrichter sollen von ihrem Salär auskömmlich leben, ohne einem zweiten Herrn dienen zu müssen – obwohl sie es von ihrem fachlichen Vorwissen her durchaus könnten. Letzteres ist hingegen bei vielen Abgeordneten vor dem Hintergrund ihres beruflichen Werdegangs zu bezweifeln. Umso mehr verwundern die unzähligen Beiratsmandate, Consultingverträge etc.
Die Diätenerhöhung sei den Abgeordneten gegönnt, die Kopplung an die Lohnentwicklung ist positiv. Zu fordern wäre aber eben auch, dass die Abgeordneten sich mit demselben Maßstab wie Bunderichter messen lassen. Die Verordnung über die Nebentätigkeit der Richter im Bundesdienst sagt in § 4:
„(1) Die Genehmigung für eine oder mehrere Nebenbeschäftigungen gegen Vergütung außerhalb des öffentlichen Dienstes gilt allgemein als erteilt, wenn die Nebenbeschäftigungen insgesamt geringen Umfang haben und kein gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt. Der Umfang einer oder mehrerer Nebenbeschäftigungen ist als gering anzusehen, wenn die Vergütung hierfür insgesamt 100 Euro im Monat nicht übersteigt. Die Nebenbeschäftigung ist der nach § 7 Abs. 1 für die Genehmigung einer Nebentätigkeit zuständigen Stelle anzuzeigen, es sei denn, daß es sich um eine einmalige, gelegentliche Nebenbeschäftigung handelt.
(2) Eine als genehmigt geltende Nebenbeschäftigung ist zu untersagen, wenn Umstände eintreten oder bekannt werden, die nach § 5 die Versagung einer Genehmigung rechtfertigen würden.
§ 5 Versagung der Genehmigung
Die Genehmigung für eine Nebentätigkeit ist zu versagen, wenn der Richter sie nach den §§ 4, 39, 40 oder 41 des Deutschen Richtergesetzes nicht wahrnehmen darf oder ein sonstiger gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt. Dies gilt insbesondere, wenn zu besorgen ist, daß die Nebentätigkeit
1. das Vertrauen in die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Richters gefährdet oder sonst mit dem Ansehen des Richterstandes oder mit dem Wohle der Allgemeinheit unvereinbar ist,
2. die Arbeitskraft des Richters so stark in Anspruch nimmt, daß die ordnungsgemäße Erfüllung seiner richterlichen Pflichten beeinflußt wird, oder
3. die Rechtspflege in anderer Weise beeinträchtigt.“
Wenngleich es auch unter den Bundesrichtern schwarze Schafe gibt, ist dies die Messlatte. Ansonsten können die Wähler (der Souverän) kaum mehr erkennen, ob ihre Abgeordneten dem Wählerwillen Ausdruck verleihen oder nicht viel mehr das Lied desjenigen singen, dessen schmackhaftes Brot sie da gerade essen.
So bleibt das Geschmäckle von Selbstbedienung – auch wenn die Regeln bezüglich der Bestechlichkeit verschärft wurden. Die besagten Nebenjobs, die DAS Vehikel für „weiße Korruption“ von Abgeordneten in deutschen Parlamenten darstellen, fallen eben nicht darunter (dass die Pensionen im gleichen Zug gekürzt wurden, ist – um es freundlich auszudrücken – Augenwischerei, um den Unmut der Wähler zu besänftigen – kaum ein Abgeordneten erreicht die 27 Mandatsjahre, ab denen die Regelung greift).
Es wird Zeit, endlich eine Bannmeile um das Parlament zu ziehen, und Lobbyismus wie auch „weiße Korruption“ unter Strafe zu stellen.