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“Nix vor 26!” – Fehlgeleitete Energiepolitik als ein Grund für die Krise am Bau und am Wohnungsmarkt

Dirk Löhr

In einem sehr interessanten Cicero-Interview (8. August 2024, mit Bezahlschranke) wurde der Immobilienunternehmer Stefan Sellschopp über die gegenwärtige Baukrise gefragt. Die Nachfrage steigt, die Mieten steigen, aber das Angebot am Markt will einfach nicht auf die wachsenden Knappheiten reagieren. Warum?

Mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass auch in diesem Jahr voraussichtlich nur ca. die Hälfte des von der Bundesregierung ausgerufenen Ziels von 400.000 neuen Wohnungen erreicht wird. Der Wahlspruch der abstinenten Investoren lautet: “Nix vor 26!”

Nach Auffassung von Sellschopp ist die oft bemühte Zinspolitik nicht das entscheidende Bauhindernis. Sellschopp macht vielmehr die verfehlte Energiepolitik der Bundesregierung für die Krise am Bau maßgeblich verantwortlich. Im vorliegenden Blog wurde wiederholt hierüber berichtet.

Denn: Egal ob Glasscheiben, Fensterrahmen mit Aluminiumprofil, Dachpannen – alles ist sehr energieintensiv. Allein im Jahre 2021 stiegen die Erzeugerpreise für Energie zwischen Januar und September um 179 Prozent. Mittlerweile entspannt sich die Lage, allerdings sind die Preise immer noch auf einem sehr hohen Niveau.

Nach Sellschopp reagiert der Wohnungsmarkt nicht auf die wachsenden Knappheiten, weil “weil wir bei einer durchschnittlichen 36-Quadratmeter-Wohnung, die von einer Person bewohnt wird, ein steigendes Auseinanderdriften zwischen Lebenshaltungskosten und Baukosten sehen. Wenn im Vergleich zum Jahr 2000 die Lebenshaltungskosten um 58 Punkte gestiegen sind, die Baugestehungskosten hingegen um 147 Punkte, also fast dreimal so hoch gestiegen sind, dann kann das nicht mehr über Mieten erwirtschaftet werden.” Zudem führt die Klimapolitik zu mehr Auflagen. Beispiel Passivhausstandard: “Das erreicht man durch Dämmung der Dämmung und jedwede Nutzung von Wärmequellen, die man zurück ins Haus führt. Daraus resultiert jedoch ein starker Zuwachs an Technik. Wenn man Kosten der technischen Ausbauwerke vom Jahre 2000 mit dem ersten Quartal 2023 vergleicht, ist ein Anstieg dieser Kosten um 336 Prozent festzustellen. Die Klimaideologie führt also zu einer signifikanten Steigerung der Baukosten. Bezeichnend dafür ist der Schaltkasten im Keller, welcher früher 60 Zentimeter breit und einen halben Meter hoch war. Heute sprechen wir von 2 mal 1,50 Meter. Dort kann man wunderbar die fehlgeleitete Klimaideologie sehen.”

Sellschopp macht folgende Rechnung zu den Baukosten auf: “Die Gestehungskosten liegen gemäß Arge derzeit bei ca. 5.000 Euro je Quadratmeter. Bei einer Annuität, also Zins und Tilgung, sind das 25 Euro je Quadratmeter und Monat. Sogar wenn man annähme, dass der Kreditnehmer nur noch 2 Prozent Annuität mithin 8,3 Euro leistete, müsste irgendjemand die Differenz zu den 25 Euro mithin 16,7 Euro je Quadratmeter und Monat bereitstellen. Bei einer Wohnung von 90 Quadratmetern ist das eine monatliche Subvention von 1.503 Euro. Wer soll das zahlen?”

Geht man von einer bezahlbaren Miete von 8 Euro/qm aus, wäre eine Baukostenreduktion von 3.400 Euro/qm erforderlich. Auch Initiativen wie der “Gebäudetyp E” werden die Problematik nicht lösen. Am Ende werden hier nur bestimmte Ausstattungsmerkmale weggelassen. Diese könnten aber einen Sachmangel darstellen – sofort befindet man sich in der Haftungsfrage.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem besteht darin, dass während der fortdauernden Baukrise Kapazitäten dauerhaft verloren gehen. Auch, wenn die Energiepolitik eines Tages wieder von Vernunft statt von Ideologie geleitet wird, dürfte es schwer werden, die entstandenen Knappheiten aufzufüllen.

Ceterum censeo: Die gesamten planwirtschaftlichen Maßnahmenpakete zur Steigerung der Energieeffizienz sind nutzlos und wohlfahrtsvernichtend. Im besten Falle, wenn also der EU-Alleingang erfolgreich wäre (was derzeit nicht in Sicht ist), sinken die Energiepreise, was dann aber Entwicklungs- und Schwellenländer in die Nachfragelücke springen lässt. Diese Rationalitätenfalle muss aufgebrochen werden – die ökonomische Spieltheorie zeigt Wege dazu. Benötigt wird am Ende ein strikter, sämtliche Sektoren umfassender und integrierender CO2-Handel (Cap & Trade), der um ein Klimageld ergänzt ist. Und benötigt wird ebenfalls ein internationaler Klimaclub, was aber eine entsprechende weltwirtschaftliche Integration voraussetzt, und kein Decoupling (oder verniedlicht “Derisking”).

Bundesrechnungshof: Energiewende nicht auf Kurs

Dirk Löhr

Nach den Vorstellungen des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Damit dieses Ziel erreicht wird, bedarf es eines erheblichen Ausbaus der Solarenergie und Windkraft. Zudem müssen die Stromnetze massiv erweitert werden, denn der Strom muss ja auch transportiert werden. Beim Strom aus erneuerbaren Energien handelt es sich aber zumeist um “Flatterstrom”: Die Sonne scheint nicht immer, und der Wind bläst auch nur zeitweise. Problematisch sind dabei weniger die stundenweise auftretenden “Dunkelflauten”, sondern solche, die längerfristig auftreten – wie im vergangenen Herbst. Aus diesem Grunde benötigt man eine redundante Infrastruktur aus konventionellen Kraftwerken, die einspringen kann, wenn die erneuerbaren Energien ausfallen. Habeck setzt hierbei v.a. auf Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff nachgerüstet werden können.

Nunmehr hat der unabhängige Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 7.3.2024 die Politik des Bundeswirtschaftsministers stark kritisiert. Dabei werden noch nicht einmal die Ziele infrage gestellt: Es nutzt relativ wenig, wenn ein Land bei der “Klimarettung” voranschreitet. Der Anteil Deutschlands an den CO2-Emissionen ist mit ca. 2 Prozent viel zu klein, um im Alleingang nennenswerte Effekte zu erreichen – zumal die deutsche Wirtschaft ja schon relativ sauber produziert. Weniger deutsche Nachfrage nach fossilen Energieträgern erzeugt andererseits tendenziell einen – wenngleich ebenfalls überschaubaren – Druck auf die Weltmarktpreise. Was Deutschland nicht verbraucht, nehmen dann eben dankend Schwellen- und Entwicklungsländer. Sinn ergäbe die Habeck-Strategie im Rahmen eines Klima-Clubs, dem neben der EU auch China, die USA und Rohstoffsupermächte wie z.B. Russland (ja!) angehören müssten. Solange unsere Außenministerin aber den chinesischen Präsidenten als “Diktator” beschimpft, dürfte sich die diese Richtung wenig bewegen.

Der Bundesrechnungshof stellt aber die Sinnhaftigkeit dieser Vorreiterstrategie Deutschlands gar nicht infrage. Er kritisiert vielmehr die Umsetzung der Klimastrategie. Kernpunkte:

  • Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last (Dunkelflaute) nicht ausgleichen. So haben seit der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke die Stromimporte massiv zugenommen, ironischerweise v.a. aus dem Kernkraftland Frankreich. Der Bundesrechnungshof bewertet dabei die Annahmen der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als “wirklichkeitsfremd”. Dem Monitoring liegt ein einziges “best case-Szenario” zugrunde. Gefahren und Handlungsbedarfe werden so nicht sichtbar, das Monitoring verliert seine Eignung als Frühwarnsystem. Geleitet wird die Bundesnetzagentur von Klaus Müller, Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet auch nicht schnell genug voran, Backup-Kapazitäten sind nicht gesichert. Das Gutachten: “Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km”. Das Thema Backup-Kapazitäten wurde in einem anderen Blog-Beitrag vom 7.1.2024 bereits behandelt. Es ist bemerkenswert, dass sich die Bundesregierung aus dem alten Energieversorgungs-Regime faktisch verabschiedete, ohne einen Ersatz parat zu haben.
  • Die wahren Kosten der Energiewende werden verschleiert. Mittlerweile hat es sich selbst bei den Grünen herumgesprochen, dass die Rechnung Jürgen Trittins aus dem Jahre 2004, die Energiewende würde den Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten, nicht aufgeht. Dennoch: Mit dem gängigen grünen Narrativ stellt man immer noch auf die geringen Grenzkosten der meisten Erneuerbaren ab. Das ist insoweit richtig, als z.B. eine Kilowattstunde zusätzlich erzeugten Stroms durch Windkraft kaum etwas kostet. Wahr ist allerdings auch: Die Systemkosten der Erneuerbaren sind enorm. Bis zum Jahr 2045 wird allein der Ausbau der Stromnetze 460 Mrd. Euro verschlingen. Das auch wegen des Flatterstroms erforderliche Netzengpassmanagement wird ca. 6,5 Mrd. Euro pro Jahr verschlingen. Zusammen mit der Stromerzeugung fallen bis 2045 voraussichtlich 1,1 Billionen Euro an Kosten an. Das Narrativ von der billigen grünen Energie ist also ein Märchen für Erwachsene. Schon heute sind die Strompreise in Deutschland mit die höchsten weltweit. Die Bundesregierung versucht derzeit, die hohen Energiekosten oder die Umstellung der Unternehmen auf die schöne neue grüne Welt nach Kassenlage und punktuell herunter zu subventionieren. Beispielsweise überreichte Habeck im Januar 2024 einen Scheck über 2,6 Mrd. Euro zur Umstellung der Stahlindustrie im Saarland. Die Subventionitis untergräbt jedoch – so der Bundesrechnungshof – die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Für energieintensivere Unternehmen (Deutschland war einer der energieintensivsten Wirtschaftsstandorte weltweit) sind die Energiekosten nicht mehr planbar. Viele Unternehmen, zuletzt der Traditionshersteller Miele, verlassen den Standort bzw. reinvestieren nicht mehr.

Die Energiewende aus dem Hause Habeck ist sicher gut gemeint. Leider ist “gut gemeint” das Gegenteil von “gut”.