Dirk Löhr
Die Energiewende, so der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin im Jahre 2004, werde den Durchschnittshaushalt umgerechnet nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten. Damals waren dies 50 Cent.
Die Hoffnung der Protagonisten war, dass viele Erneuerbare Energien (EE) mit geringen Grenzkosten arbeiten. Eine zusätzliche Kilowattstunde, die von einem Windkraftwerk erzeugt wird, kostet fast nichts. Ähnliches gilt für Solarstrom.
Das ist allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit. EE-Strom hat eine ganz andere Qualität als der Strom aus grundlastfähiger Erzeugung (Kernkraftwerke, Steinkohlekraftwerke). Manchmal weht der Wind, manchmal scheint die Sonne, manchmal nicht. Im Gegensatz zum Grundlaststrom handelt es sich also um Flatterstrom. Das Gegenargument: Über ein intelligentes Management könnte die Stromnachfrage dem volatilen Angebot an EE-Strom angepasst werden. Beispielsweise könnten Smart Grids feststellen, wann das Angebot hoch ist – dann könnten Kühlschränke und Waschmaschinen laufen oder E-Autos betankt werden. Diese Geräte könnten zudem als Stromspeicher dienen und in Zeiten der Angebotsschwäche Strom ins Netz geben. Bis dorthin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Die betreffende Technik steht nicht zu leistbaren Preisen und flächendeckend zur Verfügung. U.a. ist Lithium knapp. Das Rennen um die bolivianischen Lithiumvorkommen machten Russland und China , die Herrschaft über die Vorkommen in der Ukraine ist angesichts der prekären Lage der ukrainischen Armee ungewiss. Das wichtigere Argument, u.a. von Hans-Werner Sinn immer wieder hervorgebracht ist jedoch, dass weniger die kurzfristigen Angebotsschwankungen Sorge bereiten, sondern die langfristigen, saisonalen. Im Winter kann es Wochen und Monaten der Dunkelflaute geben, Phasen also, in denen weder der Wind weht noch die Sonne scheint. Die Abfederung einer solchen Dunkelflaute über Kohlekraftwerke führte dazu, dass im Oktober und November 2023 die deutsche Stromproduktion eine der dreckigsten in ganz Europa war.

Eine Anpassung der Nachfrage an das schwankende Angebot ist derzeit in umweltverträglicher Weise faktisch nicht machbar. Hier bedürfte es immenser Speicherkapazitäten. Mit der derzeitigen Speicherkapazität könnte ganz Deutschland allerdings gerade einmal eine Stunde lang mit Strom versorgt werden. Technisch denkbare Alternativen sind derzeit ökonomisch nicht tragfähig.
An dieser Stelle geht es nicht ohne mit Gas arbeitenden Backup-Kraftwerke, welche in die Lücke springen müssen. Gaskraftwerke sind klimafreundlicher als Kohlekraftwerke; ggfs. lassen sich sich auch später auf Wasserstoff umrüsten (was auf absehbare Zeit jedoch ebenfalls noch unwirtschaftlich ist). An dieser Stelle könnte viel über die unsinnige Sanktionspolitik gegenüber Russland und andere fehlgeleitete Bereiche der Energiepolitik geredet werden. U.a. wird US-amerikanisches Frackinggas zu enormen Preisen hierzulande verwendet, ohne dass eine Einflussnahme auf die Art und Weise der Förderung besteht (während hierzulande Fracking aus Gründen des Umweltschutzes verboten ist). Das Thema der abgeschalteten AKWs und der hier zurückgenommenen Forschungsförderung kann vorliegend nicht ausgewalzt werden.
Interessant ist nun, dass derzeit der Bedarf an neuen fossilen Backup-Kraftwerken (Gas) bis 2030 auf rd. 50 Stück eingeschätzt wird. Angesichts der erratischen Energiepolitik ist es jedoch kaum wahrscheinlich, dass private Investoren diese Lücke ohne entsprechende Subventionszusagen füllen werden. Eine Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI) für das Handelsblatt zeigt, dass „für den Neubau von Kraftwerken in Deutschland rechnerische Deckungsbeiträge in Höhe von rund 60 Milliarden Euro fehlen“ (so EWI-Experte Philipp Kienscherf).
Neben das durch das Karlsruher Urteil erzeugte 60 Mrd. Euro-Loch tritt nun, schön symmetrisch, also noch ein zweites 60 Mrd. Euro-Loch hinzu. Dies stellt auch den Kohleausstieg bis 2030 noch stärker als bisher infrage. Heute kostet eine Kugel Eis ca. 1,60 Euro. Jeder der ca. 41 Mio. Haushalte Deutschlands müsste bis 2030 monatlich ca. 13 Eiskugeln konsumieren, um allein auf diesen Teilbetrag der Kosten der Energiewende zu kommen. Wenigstens hält Habecks Politik die Bürger schlank.
Es sind jedoch nicht nur die zeitlichen, sondern auch die regionalen Spitzen, die ausgeglichen werden müssen. Angesichts eines für die Energiewende unzureichend ausgebauten Netzes muss an Engpässen gegebenenfalls auf- und abgeregelt werden. Die vor dem Engpass stillgelegten Kraftwerke bekommen jedoch eine Entschädigung für den Ausfall, und die hinter dem Engpass hochgeregelten Kraftwerke erhalten ebenfalls eine Kompensation für das bloße Stand-by. Allein diese Redispatch-Maßnahmen verschlingen pro Jahr fast drei Mrd. Euro. Ein Marktdesign, das über unterschiedliche Preiszonen (Market Splitting, Nodal Pricing) Anreize für einen “automatischen” Ausgleich gibt und den Subventionsbedarf reduziert, ist derzeit noch nicht in Sicht.
Dies alles beschreibt indessen noch nicht den gesamten Finanzbedarf. Der durch den EE-Flatterstrom notwendige Netzausbau und die erforderliche Netzverstärkung kostet ebenfalls Geld. Dies wird allerdings auf die Netzentgelte umgelegt.
Insgesamt dürfte die Energiewende – wenn sie denn bis 2045 gelingen soll – ungefähr 1,1 Billionen Euro kosten. Dies sind insgesamt ca. 16.700 Kugeln Eis pro Haushalt – oder, gleichmäßig verteilt auf die 252 Monate bis 2045 ca. 66 Eiskugeln zu 1,60 Euro pro Haushalt und Monat.
All die genannten Kosten (Netzausbau und -verstärkung, Reservekraftwerke, Redispatch, Speicher) müssten in einem marktwirtschaftlich funktionierenden System eigentlich dem Verursacher angelastet werden – dies sind die Erneuerbaren Energien. Entgegen dem Märchen von den billigen EE würden diese damit aber aus dem Markt geworfen; sie könnten kostenmäßig nicht mehr konkurrieren. Also werden sie subventioniert. Der bessere Weg, um die relativen Preise zwischen EE und fossilen Energieträgern zu beeinflussen, wäre eine Verteuerung der fossilen Energieträger über ein entsprechend ausgebautes Emissionshandelssystem. Dieses müsste allerdings über ein entsprechendes Klimageld sozial abgefedert werden, wofür nach dem Karlsruher Urteil vom November 2023 jedoch das Geld fehlt. Die Frage, was anstelle des Klimageldes gestrichen bzw. aufgeschoben werden könnte, kann mangels Raum vorliegend nicht behandelt werden. Es ließe sich jedoch auch über Subventionen diskutieren, wenn diese in ihrer Belastungswirkung transparent wären. Tatsächlich findet aber ein intransparentes Subventionsgeflecht statt, das einmal auf Kosten des Staatshaushalts, dann wieder zu Lasten der Verbraucher (mit Unterschieden) geht und z.B. über die Erhöhung der Netzentgelte auch andere Energieträger mittelbar mitbelastet. Von „Kostenwahrheit“ der Klimawende kann somit keine Rede sein. Die Politik des Bundeswirtschaftsministeriums ist chaotisch wie intransparent, eine Planwirtschaft ohne Plan.
Das 60 Mrd. Euro-Loch kommt für das Bundeswirtschaftsministerium genauso überraschend wie der Winter für die Deutsche Bahn AG. Eine erneute Haushaltsnotlage auszurufen, um das Loch an der Schuldenbremse vorbei doch noch zu stopfen, dürfte Karlsruhe nicht mitmachen. Die betreffenden Notlagen beschränken sich auf solche aus externen Einflüssen wie Naturkatastrophen, nicht aber auf intellektuelle Notlagen aufgrund mangelhafter Planung und schlechter Politikkonzeptionen.
Deutschland hat eine der energieintensivsten Wirtschaften auf der ganzen Welt. Ein großer Teil der energieintensiven Wirtschaft hält sich angesichts der derzeitigen Politik und der von ihr gesetzten Rahmenbedingungen mit Ersatzinvestitionen zurück und verlagert Neuinvestitionen in andere Teile der Welt.

Ohne eine leistungsfähige Wirtschaft wird Deutschland auch politisch bedeutungslos. Dennoch wird Deutschland mit seiner Energiepolitik ein Vorbild sein – es zeigt, wie man es auf keinen Fall machen sollte.