Flatterstrom: Bitcoins schürfen?

Dirk Löhr

Die Fleisch und Blut gewordene ökonomische Abrissbirne namens Robert Habeck hatte vor ein paar Wochen wieder “einen losgelassen”. Diesmal ging es darum, wie mit dem Problem des erneuerbaren Flatterstroms umgegangen werden könnte: Zugespitzt solle die Wirtschaft nur noch dann produzieren, wenn es das Wetter zulässt. Nachdem ich zuerst gelacht hatte (ich dachte, Humor hat er, das muss man ihm lassen), dann erschrak (nach dem, was ich las, meinte er es wohl ernst), brauchte ich zunächst ein wenig Zeit, um mental zu regenerieren. Das ist die Wirtschaft, die sich ein Kinderbuchautor vorstellt: Die Arbeiter kommen in die Fabrik und spielen Skat, bis die Sonne hinter den Wolken hervorkommt. Dann wird bis zum nächsten Regenschauer produziert, um dann wieder eine Runde Skat bis zum Feierabend zu kloppen. Bei vollem Lohnausgleich und entsprechenden Lohnerhöhungen selbstverständlich. Ganz so war es nicht gemeint, die Steuerung soll über die Netzentgelte erfolgen. Aber die Richtung ist eben doch krank.

Einen pfiffigen Vorschlag zum Umgang mit dem Flatterstrom hörte ich in einer Diskussion mit Fritz Vahrenholt. Diesem Kritiker der grünen Energiepolitik wurde entgegengehalten, man müsse die Überschüsse an Strom aus Erneuerbaren Energien ja nicht unbedingt als “Abfall” behandeln und zu einem Negativpreis im Ausland entsorgen. Vielmehr könne man sie ja dazu nutzen, Bitcoins zu schürfen. Einer von den Vorschlägen, bei denen man unwillkürlich denkt: “Warum eigentlich nicht?” Jedenfalls hört sich die Idee deutlich smarter an als die des deutschen Wirtschafts- und Klimaphilisters.

Nun weiß ich nicht, wieviel Sonnenkollektoren oder Windräder mindestens notwendig wären, um beim Bitcoin-Schürfen erfolgreich zu sein. Möglicherweise könnte man sich hier auch zusammenschließen. Nehmen wir einmal an, technisch wäre der Vorschlag umsetzbar. Allerdings muss man auch realwirtschaftlich denken: Wodurch wird ein Land eigentlich reicher oder ärmer? Am Ende geht es um den Konsum, in Quantität und Qualität – also um mehr verfügbare Güter und Dienstleistungen. Mehr Häuser, Früchte, Pullover, Autos. Geld an sich kann man nicht essen – diese Weisheit hat sich mittlerweile herumgesprochen. Akzeptieren wir einmal Bitcoins als Geld (was mit Blick auf die Tausch- und Zahlungsmittelfunktion durchaus nicht unumstritten ist): Bitcoins sind im besten Falle (solange eine entsprechend große Community an ihn glaubt) ein Anspruch auf das Sozialprodukt, sie erhöhen aber nicht das Sozialprodukt. Anders ausgedrückt: Sie können die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen beeinflussen, bewirken aber keine Erhöhung der Produktion.

Dies wiederum führt zu dem Schluss, dass es möglicherweise individuell sinnvoll sein kann, mit den Stromüberschüssen Bitcoins zu schürfen. Aber: Das Problem einer preiswerten, sicheren und zugleich umweltfreundlichen Energieversorgung für die gesamte Volks- oder gar Weltwirtschaft kann man hiermit sicher nicht lösen.